Vreden

Interview: „Der Erfolg basiert auf dem starken Miteinander“

Im Interview geben Bürgermeister Dr. Tom Tenostendarp und Wirtschaftsförderer Michael Terhörst einen Einblick in den Wirtschaftsstandort Vreden sowie in die Herausforderungen der Wirtschaft vor Ort und sie erklären, wie sich diese lösen lassen.

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Herr Dr. Tenostendarp, in der Stadt Vreden ist aktuell viel in Bewegung: Sie weisen an mehreren Stellen neue Gewerbeflächen aus, in der Innenstadt hat es durch neue Gastronomie und Geschäfte einen Aufschwung gegeben und auch der Veranstaltungskalender der Stadt ist voll. Was ist aus Ihrer Sicht der Grund für diese dynamische Entwicklung „Ihrer“ Stadt?
Dr. Tom Tenostendarp: Es freut mich sehr, dass Vreden aktuell eine so positive Entwicklung nimmt. Der Erfolg basiert aus meiner Sicht auf dem starken Miteinander vor Ort: die Unternehmerinnen und Unternehmer, die Stadtverwaltung, die Bürgerinnen und Bürger – alle ziehen an einem Strang und haben einen starken Teamgeist für Vreden entwickelt. Die Unternehmen investieren bewusst vor Ort, weil sie hier wirtschaftliches Potenzial und die für sie passenden Rahmenbedingungen, etwa in Form von Gewerbegrundstücken und Fachkräften, vorfinden. Außerdem ist die Identifikation der Mitarbeitenden mit den Vredener Unternehmen groß. Wir haben eine große Vielfalt an starken, bodenständigen Unternehmen, die sich durch Fleiß, Engagement und Innovationsgeist viel erarbeitet haben. Auch die Vredener Bürgerinnen und Bürger tragen zur starken Entwicklung unseres Wirtschaftsstandortes bei, sei es durch ihr Interesse an Veranstaltungen oder indem sie die lokalen Geschäfte und die Gastronomie vor Ort nutzen. 

Inwiefern kommt der Stadt Vreden dabei die – früher häufig als Nachteil ausgelegte – Grenzlage zu den Niederlanden zugute?
Tenostendarp: Ich formuliere es immer gerne so: Auch wenn Vreden geografisch am Rande von Deutschland liegt, befinden wir uns doch mitten im Herzen Europas. Das bringt uns wirtschaftliche Vorteile. Die Vredener Unternehmerinnen und Unternehmer haben das Potenzial der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit längst erkannt – auch wenn die Grenzlage sicherlich einige Herausforderungen mit sich bringt, zum Beispiel steuerlich bei der Beschäftigung von Arbeitnehmenden aus den Niederlanden. Aber in der Summe überwiegen die Chancen die Nachteile. Dieses Miteinander fördern wir vor allem auch im Tourismusbereich mit gezielten Maßnahmen. Vor drei Jahren haben wir eine Imagekampagne inklusive Social-Media-Marketing gestartet. Im Zuge dessen haben wir jeweils im Frühjahr, im Sommer und im Winter Imagefolder auf Deutsch und Niederländisch in den Nachbarkommunen dies- und jenseits der Grenze verteilt. Die Auflage lag jeweils bei 40.000 und wir haben die Kampagne genutzt, um gezielt auf unser vielfältiges Freizeitangebot in den Bereichen Kultur, Gastronomie, Einzelhandel und Tourismus aufmerksam zu machen. Das war ein großer Erfolg! Wir haben in einer grenzübergreifenden Mobilfunkdatenauswertung festgestellt, dass zunehmend mehr Besucherinnen und Besucher unserer Stadt aus den Niederlanden kommen – sei es für einen Tagesausflug per Rad oder für mehrere Tage. Davon profitieren auch unsere Einzelhändler, Hoteliers und Gastronomen.

Die allgemeine wirtschaftliche Lage ist infolge der „Multi-Krisenzeit“, die wir in den vergangenen Jahren und zurzeit erleben, dennoch angespannt. In Vreden scheint die Investitionsbereitschaft aber nach wie vor sehr groß zu sein. Welchen Eindruck haben Sie von der Stimmung in der Vredener Wirtschaft?
Tenostendarp: Natürlich geht die aktuelle Multi-Krisenzeit auch an Vreden nicht spurlos vorbei. In den Gesprächen mit der Vredener Wirtschaftsvereinigung und bei unseren regelmäßigen Unternehmensbesuchen spüre ich eine gewisse Verunsicherung. Dennoch zeigt sich, dass der Standort Vreden von der Branchenvielfalt vor Ort profitiert. Die Unternehmen in Vreden wachsen nachhaltig. Statt auf schnelle Erfolge zu setzen, übernehmen sie Verantwortung für ihre Mitarbeitenden und planen langfristig. Unsere kleinen und mittelständischen Betriebe sowie Hidden Champions mit spezialisierten Produkten sind selbst in schwierigen Zeiten gefragt. Natürlich können wir nicht in die Glaskugel schauen, doch unsere Unternehmen sind robust und gut vorbereitet. Diese solide Basis sorgt dafür, dass ich für den Wirtschaftsstandort Vreden insgesamt optimistisch in die Zukunft blicke.

 

Herr Terhörst, seit dem vergangenen Jahr haben die Vredener Unternehmerinnen und Unternehmer mit Ihnen als Wirtschaftsförderer einen neuen Ansprechpartner. Welchen Eindruck haben Sie von der Vredener Wirtschaft bislang gewonnen?
Michael Terhörst: Einen ganz ähnlichen wie der Bürgermeister. Die wirtschaftliche Lage ist auch in Vreden herausfordernd, aber unsere Unternehmen sind insgesamt solide aufgestellt. Die im Bundesvergleich hohen Eigenkapitalquoten helfen, dass sie selbst in unsicheren Zeiten investieren und Chancen ergreifen können – beispielsweise durch Flächenerweiterungen. Natürlich gibt es auch bei uns vereinzelt Unternehmen, die vorsichtig agieren, in einer schwierigen Lage sind oder ihr ‚Pulver trocken halten‘. Aber die breite Masse ist gut aufgestellt. 

Gibt es etwas, das Sie dabei besonders überrascht hat?
Terhörst: Was mich wirklich überrascht hat, ist die beeindruckende Tiefe und Spezialisierung der Unternehmen. Bei jedem Unternehmensbesuch – selbst bei den Betrieben, von denen ich dachte, dass ich sie schon gut kenne – entdeckt man immer wieder Neues: außergewöhnliche Produkte, innovative Technologien und internationale Kunden aus teils unerwarteten Branchen. Das ist bemerkenswert und zeigt, dass Vreden mit anderen starken Regionen in Deutschland locker mithalten kann – auch wenn wir oft nicht im medialen Rampenlicht stehen. Die Unternehmen präsentieren ihre Erfolge nicht lautstark, sondern konzentrieren sich auf Qualität und Beständigkeit. Das gilt aber nicht nur für Vreden, sondern für das gesamte Münsterland. Vreden zählt zu den großen Industriestandorten im Münsterland – trotz seiner Randlage und obwohl es weitaus größere Städte in der Region gibt. 

Welche Herausforderungen beschäftigen die Unternehmen zurzeit am meisten?
Terhörst: Neben dem Fachkräftemangel ist die Bürokratie ein großes Problem für unsere Unternehmen. In fast jedem Gespräch kommt das Thema auf den Tisch. Als Kommune sind uns da aber leider oft die Hände gebunden, denn die Regeln kommen von Landes-, Bundes- oder EU-Ebene. Besonders spürbar wird das bei Bauleitverfahren. Natürlich sind bestimmte Aspekte wie etwa der Artenschutz wichtig, aber es fehlt aus meiner Sicht die richtige Balance. Die Vielzahl an Prüfungen und Fristen, die wir umsetzen müssen, führt dazu, dass Projekte unnötig verzögert werden. Unternehmen empfinden das als Wettbewerbsnachteil, da es schwer ist, in einem globalen Markt flexibel zu bleiben. Es braucht dringend Reformen, die Prozesse schlanker machen und gleichzeitig den Schutz wichtiger Interessen gewährleisten.
Tenostendarp: Die Bauleitplanung ist ein gutes Beispiel, an dem man es verdeutlichen kann. Hier müssen verschiedene Fragestellungen abgewogen und geprüft werden. Das dient auch dem Schutz aller Beteiligten. Darüber hinaus müssen eine Vielzahl von Gutachten und Stellungnahmen im Prozess berücksichtigt werden. Alle Interessen ins Gleichgewicht zu bringen, nimmt Zeit in Anspruch, führt aber am Ende zu rechtlich haltbaren und sauber abgeleiteten Verfahrensschritten.

Wie könnte es aus Ihrer Sicht besser gehen?
Tenostendarp: Wir brauchen vereinfachte Prozesse. Die Strukturen, die vom Land, vom Bund und von der EU vorgeschrieben sind, müssen zum Teil angepasst und vereinfacht werden. Pragmatische Lösungen müssen her. Wenn man mit Unternehmen spricht, wird klar, dass viele Meldepflichten und Vorschriften wenig Mehrwert bieten, aber enorme Ressourcen binden. Genau an solchen Stellschrauben müsste angesetzt werden. 

 

Lassen Sie uns auf das Thema Fachkräftemangel zurückkommen. Um den Nachwuchs frühzeitig auf Ausbildungsmöglichkeiten in Vreden aufmerksam zu machen, hat sich vor einigen Jahren der Arbeitskreis Ausbildung, bestehend aus Vertretern der örtlichen weiterführenden Schulen, der Vredener Wirtschaftsvereinigung und der Wirtschaftsförderung gebildet. Ein Projekt dieser Zusammenarbeit ist die Weiterentwicklung der JugendCampus App um eine Azubi-Börse. Was steckt dahinter?
Terhörst: Der JugendCampus in Vreden hebt sich – das darf man sicherlich mit Fug und Recht so sagen – in seiner Art von vielen anderen Einrichtungen für Jugendliche ab. Zurzeit entsteht dort zum Beispiel eine überdachte Skaterbahn und in der Trendsporthalle gibt es von Klettern und Zumba bis zur Jump-Disco und Hockey-Kursen viele außergewöhnliche Bewegungsangebote. Sämtliche Angebote können über die JugendCampus App gebucht werden, die der Vredener Unternehmer Johannes Terhürne kostenlos für Vreden entwickelt hat. Das Besondere ist, dass mit der Azubi-Börse auch eine direkte Verbindung zur Vredener Wirtschaft in der App geschaffen wurde – und der Plan ist aufgegangen: Rund 80 Prozent der jungen Vredener zwischen 14 und 24 Jahre haben die App installiert und sie nutzen sie intensiv, um ihre Freizeit auf dem JugendCampus zu planen. Durch die Einbindung der Azubi-Börse genau an dieser Stelle bekommen die Unternehmen in Vreden die Chance, die junge Zielgruppe ganz unmittelbar zu erreichen. Die Betriebe können ihre Praktikums- und Ausbildungsplätze in der App unkompliziert einpflegen. Die werden dann auch automatisch auf der städtischen Homepage angezeigt. Die Rückmeldung der Unternehmen ist durchweg positiv. Die App ist aber längst nicht der einzige Baustein der Fachkräfte- und Nachwuchssicherung in Vreden.

Was gibt es noch?
Terhörst: Beispielsweise den Schülertag, bei dem Neuntklässler vor Ort in den Unternehmen Einblicke in verschiedene Ausbildungsberufe bekommen. Oder den Berufe-Parcours, der einen ähnlichen Ansatz verfolgt: Vredener Arbeitgeber stellen sich dabei im Forum des Gymnasiums Georgianum vor und die Schülerinnen und Schüler können in 15-minütigen Übungen ganz praktische Einblicke in Ausbildungsberufe bekommen. Auch Veranstaltungen wie die kreisweite „Nacht der Ausbildung“, an der in diesem Jahr über 50 Unternehmen aus Vreden teilgenommen haben, oder unsere Gewerbeschau „Aufwind“, die im Mai 2026 wieder stattfinden soll, tragen dazu bei, dass die Betriebe ganz unkompliziert frühzeitig Kontakt zu Schülern knüpfen können. Dank der kurzen Wege und des pragmatischen Ansatzes des Arbeitskreises gibt es einen engen Austausch zwischen allen Beteiligten, was die Projekte besonders erfolgreich macht.

Die Wirtschaftsförderung vor Ort haben Sie sich beide auf Ihre Agenda geschrieben. Wie sieht das in der Praxis aus?
Terhörst: Da gibt es ganz unterschiedliche Formate, die wir für den Austausch mit den Unternehmen nutzen. Dabei arbeiten wir auch ganz eng mit der Vredener Wirtschaftsvereinigung zusammen. Die organisiert im Jahresverlauf verschiedene Veranstaltungen, an denen wir als Vertreter der Stadt natürlich auch gern teilnehmen, um im Austausch zu bleiben.
Tenostendarp: Zusätzlich zu den vielen kleineren und größeren Gesprächen, die wir anlassbezogen mit den Unternehmen in Vreden führen, besuchen Michael Terhörst und ich pro Jahr zehn bis zwölf Unternehmen in einem etwas offizielleren Rahmen. Die Treffen sind langfristig organisiert. Dabei geht es um Themen, die die Unternehmen in ihrem Alltag beschäftigen, oder um langfristige Planungen. Wir nehmen uns bei diesen Terminen bewusst zwei Stunden Zeit, um einen Betrieb ausführlich kennenzulernen. Dabei geht es nicht nur darum, die Arbeit der Unternehmen zu verstehen, sondern auch, Herausforderungen oder Anliegen der Unternehmerinnen und Unternehmer zu erfahren. Solche Gespräche ermöglichen oft einen tieferen Einblick. Mitunter ergibt sich daraus auch konkreter Handlungsbedarf, bei dem wir unterstützen können. Und auch da zeigt sich wieder die Vielfalt des Standortes: vom Ein-Mann-Betrieb bis zum Großunternehmen ist alles dabei. 

Wir haben es eingangs schon angesprochen: Der Veranstaltungskalender in Vreden ist traditionell immer gut gefüllt. Welche Termine sollten Unternehmer, Bürger und Besucher 2025 auf jeden Fall auf dem Schirm haben?
Terhörst: In Vreden gibt es eine Vielzahl etablierter Veranstaltungen, die sich über die Jahre hinweg bewährt haben und sowohl bei den Vredenern als auch überregional großen Zulauf finden. Zu den festen Highlights zählen der Neujahrsmarkt, der Heimat- und der Hama­landtag sowie die Adventsaktionen, die stets in Verbindung mit einem verkaufsoffenen Sonntag im Einzelhandel stattfinden. Wir haben aber auch immer wieder neue Formate, wie beispielsweise das „Picknick am kult“, das 2025 noch einmal größer wird. Für das Event konnten wir die Coverband „The Queenkings“ gewinnen. Lichtspiele sorgen außerdem für ein besonderes Ambiente. Außerdem planen wir ein interkulturelles Picknick im Stadtpark mit einem breiten gastronomischen Angebot. 
Tenostendarp: Ein absolutes Highlight, für das Vreden weit über die Stadtgrenzen bekannt ist, ist die Vredener Kirmes. Darauf freue ich mich persönlich wieder am meisten, weil man dort wirkliche jede Vredenerin und jeden Vredener antrifft. Auch ich bin ein absolutes Kirmeskind – die Veranstaltung gehört einfach zu Vreden dazu. 

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