Auf dem Weg zur neuen Ausrichtung der Innenstadt musste Citymanager Jörg Lenhard allerdings viele Klinken putzen. In Gesprächen mit Immobilienbesitzern, bereits etablierten Einzelhändlern sowie möglichen neuen Kaufleuten und Gastronomen hat er in den vergangenen Monaten Potenziale ausgelotet, über Förderungen informiert und Kontakte vermittelt. In der Summe wurden so 34 Objekte in der Innenstadt neu vermietet, davon ein Großteil an Einzelhandel und Dienstleister, aber auch an die Gesundheitsbranche und Gastronomie. „Insbesondere die Neuansiedlung von Gastronomiebetrieben hat dazu beigetragen, die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt weiter zu erhöhen und so auch die Besucherfrequenz für den Einzelhandel zu steigern“, freut sich Lenhard. In der gesamten Innenstadt haben neue Restaurants und Cafés eröffnet, zuletzt ein Grieche.
Aktuell gebe es nur noch vereinzelt Leerstände. „Das Thema bleibt aber eine Daueraufgabe. Allerdings haben wir es als Stadtverwaltung auch nicht immer selbst in der Hand. Wo wir können, vermitteln wir gerne, letztendlich bleibt die Entscheidung für eine Vermietung oder einen Verkauf aber Sache der Immobilieneigentümer“, räumt Lenhard ein.
Neuansiedlung in der Innenstadt
Ein Beispiel für eine Neuansiedlung im Einzelhandel ist der Concept Store Cozy Mood. Gründerin und Inhaberin Nina Aldenhövel hat das Geschäft für Second-hand-Mode, Accessoires, Schmuck und Interior mithilfe der Fördermittel aus dem Sofortprogramm eröffnet und ist nach dem ersten Geschäftsjahr bereits in größere Räumlichkeiten am Markt umgezogen. „Cozy Mood ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich eine gute Idee erfolgreich aufbauen und nachhaltig etablieren lässt. Das Geschäft ist eine absolute Bereicherung für unseren Marktplatz“, betont Lenhard. Ein anderes Beispiel, das für den neuen Einzelhandel in Vreden steht, ist die Schmuck-Werkstatt Berkelgold von Goldschmiedemeisterin Melanie Gebing. Neben neuen Kollektionen in Handarbeit bereitet sie in ihrer Heimatstadt auch alten Schmuck wieder modern auf. „Dadurch hat Berkelgold einen Kundenstamm gewonnen, der weit über die Grenzen des Kreises Borken hinaus geht. Eine echte Erfolgsgeschichte“, wie der Citymanager findet. Auch das Kulturangebot, etwa mit dem kult, dem Kulturhistorischen Zentrum Westmünsterland des Kreises Borken, dem Bauernhausmuseum, dem Scherenschnittmuseum oder dem weltweit größten Miniaturschuhmuseum, hat Alleinstellungscharakter. „Das sind allesamt ungewöhnliche Ausstellungen, die überregional Besucher anziehen, die dann wiederum auch die Geschäfte und Restaurants in der Vredener Innenstadt nutzen. So profitieren Kulturgeschichte und Gastronomie voneinander“, ordnet Lenhard ein und verweist dabei auf den Markenbildungsprozess vor wenigen Jahren. Unter dem Motto „Vreden verbindet“ hat die Stadt genau diesen Ansatz, Kultur und Gastronomie hervorzuheben und das auch auf niederländischer Seite der Grenze zu kommunizieren, entwickelt. „Wir wollten stärker herausarbeiten, dass Vreden ein ganz spezielles Angebot für die Freizeitgestaltung hat, das es in anderen Städten vergleichbarer Größe und sogar in größeren Metropolen so nicht gibt“, erläutert Lenhard. Er ergänzt: „Um die Frequenz für den Einzelhandel zu erhöhen, müssen wir die Innenstadt attraktiv halten – mit kulturellen Angeboten, aber auch immer wieder mit neuen Aktionen und Veranstaltungen, sodass Besucherinnen und Besucher auch anlassbezogen nach Vreden kommen.“
Dass die Imagekampagne bereits erste Früchte trägt, zeigt die jüngste Passantenfrequenzmessung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen in den Innenstädten ihres Bezirks. Im Messbereich in der Wüllener Straße in Vreden wurden an acht gemessenen Donnerstagen jeweils von 15 bis 16 Uhr im Schnitt je 279, an acht Samstagsterminen je 252 Besucherinnen und Besucher gezählt – das ist laut IHK deutlich mehr als der Mittelwert der Messungen seit 2014, der bei um die 215 Passanten lag.
Besucher aus den Niederlanden
Ein nicht unerheblicher Anteil der Besucherinnen und Besucher der Vredener Innenstadt kommt aus den Niederlanden. Das hat die Stadt Vreden auch in einer 2023 eigens erhobenen Online- und Passantenbefragung mit den Stadtplanern von Stadt+Handel ermittelt. Dazu wurden Anwohner und Passanten interviewt, aber auch erstmals die Bewegungsdaten ihrer Mobilfunkverbindungen analysiert. Das Ergebnis: Insbesondere aus den grenznahen, niederländischen Kommunen, aber auch aus Ahaus kommen deutlich mehr Menschen nach Vreden zum Einkaufen oder um das kulturelle Angebot wahrzunehmen. „Die gelben Autokennzeichen gehören zum Stadtbild von Vreden mittlerweile einfach dazu. Wir haben eine Verdoppelung des Passantenaufkommens aus den Niederlanden verzeichnet. Zum einen ist das Preisniveau in Deutschland niedriger, zum anderen punkten wir mit unserem gastronomischen und kulturellen Angebot“, nennt Lenhard Gründe. Die Besucherzahlen aus Ahaus – insbesondere aus den per Fahrrad gut zu erreichenden Ortsteilen Ottenstein, Wessum und Alstätte – haben sich sogar vervierfacht. Für den Einzelhandel und die Stadt ließen sich so gezielte Marketingmaßnahmen ableiten.
Lenhard sieht gerade auf niederländischer Seite viel mehr Besucherpotenzial für Vreden. „Wir wollen hier die Campingplätze im Grenzgebiet in den Fokus rücken und dort verstärkt auf das Angebot in unserer Stadt aufmerksam machen“, blickt er voraus. Auch für den Einzelhandel hat der Citymanager noch klare Wünsche: „Im Bereich Herrenmode sind wir noch recht dünn aufgestellt, hier würde ich mir weitere Anbieter wünschen. Weitere Concept Stores mit kreativen Angeboten fände ich ebenfalls spannend. Auch ein chinesisches Restaurant würde die kulinarische Vielfalt unserer Gastronomie sicherlich bereichern.“
Zukunftsperspektive für Bierbaumgelände
Innenstadtnaher Wohnraum kombiniert mit einem Lebensmittelmarkt – das sieht das Konzept für das brachliegende Gelände an der Ottensteiner Straße in Vreden vor. 2024 sind wichtige planerische Schritte für die künftige Nutzung des ehemaligen Bierbaumgeländes durch den Vredener Stadtrat beschlossen worden.
Gleich vier mögliche städtebauliche Entwicklungskonzepte wurden von Architektur- und Stadtplanungsbüros erstellt und deren Vor- und Nachteile abgewogen. Den Zuschlag für die Entwicklung des städtebaulichen Konzepts des Wohngebiets hat der Rat an die Architekten und Stadtplaner farwickgrote partner aus Ahaus vergeben. 110 Wohneinheiten verschiedener Größen sollen gebaut werden. „Wir freuen uns, dass die Planungen große Fortschritte machen. Vreden ist ein attraktiver Wohnort, das zeigt auch die steigende Nachfrage“, stellt Bürgermeister Dr. Tom Tenostendarp fest.
Vorangegangen war Anfang des Jahres 2024 der Grundsatzbeschluss zur Neuplanung des ehemaligen Bierbaumgeländes. Auf Grundlage des Konzepts von Nattler Architekten aus Essen kam der positive Grundsatzbeschluss. Nach diesem Konzept ist die Realisierung eines Lebensmittelmarktes mit Stellplatzanlage auf circa 40 Prozent der 2,8 Hektar großen Fläche vorgesehen. Den Lebensmittelmarkt wird die Stroetmann Gruppe aus Münster realisieren.
Die Bauleitplanverfahren laufen parallel und befinden sich im Vorentwurf. Im Januar 2025 sind die frühzeitigen Beteiligungen sowohl für die Öffentlichkeit als auch für die Behörden geplant.