Herr Rose, KI ist in aller Munde. Aber wenn es um den konkreten Einsatz im Unternehmensalltag geht, ist da gefühlt noch viel Luft nach oben. Was ist Ihr Eindruck?
Wir sind aktuell noch in der Aufklärungsphase. Etwa 70 bis 80 Prozent der Unternehmen wissen nicht oder nur kaum, was Künstliche Intelligenz ist, was sie kann und wofür sie KI nutzen können. Die Unternehmen dafür zu sensibilisieren, ist aktuell eine unserer größten Aufgaben – und die braucht Zeit. Erst wenn das geschafft ist, können wir über die Anwendung von KI im Unternehmensalltag und über neue Geschäftsmodelle reden. Dennoch gibt es natürlich auch viele Unternehmen, die bereits mit KI experimentieren. Dabei unterstützen wir mit tiefergehenden Workshop-Formaten bis hin zu konkreten Digitalisierungsprojekten mit einzelnen Unternehmen.
Warum ist eine solche Sensibilisierungsphase nötig?
Sie ist typisch für alle schlecht greifbaren Technologien, wie beispielsweise auch Cloud Computing: Man nimmt den Mehrwert wahr, versteht aber nicht, was sich dahinter wirklich verbirgt und wofür man es nutzen kann. Deshalb ist es so wichtig, aufzuklären und ein Bewusstsein für die Möglichkeiten zu schaffen. Sonst bleibt die Zurückhaltung in der Anwendung groß. Diese Zurückhaltung hat auch etwas mit der grundsätzlichen Kultur in Deutschland zu tun. Es gibt ein sehr hohes Bewusstsein für Datenschutz. Das ist einerseits gut, aber auch innovationshemmend. Dadurch stehen wir neuen Technologien oft sehr zurückhaltend gegenüber und fühlen uns bei dem Neuem nicht sicher. Weitere Gründe sind häufig fehlendes Know-how und fehlende, qualifizierte Fachkräfte, um KI tatsächlich einzusetzen.
Können Sie konkrete Anwendungsbeispiele für KI in Unternehmen nennen?
Die Anwendungsmöglichkeiten sind riesig. Überall dort, wo ich Daten sammle, kann ich KI einsetzen. Überall, wo ich mit Daten arbeite, kann ich KI einsetzen. Aktuell ist ChatGPT der Türöffner für generative KI-Anwendungen, etwa Trendanalysen im Marketing oder SEO. Aber auch Predictive Maintenance für Ausfall-, Risiko- und Finanzprognosen sowie Robotik sind immer mehr in der Anwendung. Unser Ziel ist es, die Unternehmen direkt an ihrem aktuellen Kenntnisstand und Bedürfnissen abzuholen und bestmöglich auf dem Weg in die Digitalisierung und somit auch in die KI zu unterstützen. Ein zentraler Faktor ist dabei, die Expertise der Mitarbeitenden auf ein passendes Level zu heben, damit sie den Weg selbstständig weitergehen können.
Was empfehlen Sie Unternehmen, die damit anfangen, sich mit KI zu beschäftigen?
So viele Daten zu sammeln, wie sie können. Egal, ob es um Energieverbrauch, Konstruktionsdaten, Kundendaten, Logistik oder Supply Chain geht. Wir schauen dann, wie wir die Daten sinnvoll für die Optimierung der Prozesse im Unternehmen nutzen können. Der zweite wichtige Punkt sind die Beschäftigten: Sie müssen mitgenommen und für das Thema KI sensibilisiert werden. Deshalb sollten Unternehmen schon früh Schulungen anbieten, die den Beschäftigten die Innovationsmöglichkeiten zeigen, die die Daten möglich machen. Und drittens: trial and error! Einfach mal kleine Projekte starten, um ein Gefühl für die Möglichkeiten zu bekommen.
Was ist wichtig, um KI dauerhaft erfolgreich einzusetzen?
Eine fortlaufende Weiterbildung für die Beschäftigten, da die Technologie unglaublich schnelllebig ist. Ein Muss ist zudem eine Unternehmensstrategie für die nächsten Jahre, zu der eine IT-Strategie und am besten auch eine KI-Strategie gehört. Ansonsten besteht die Gefahr, dass KI nur eine Inselwirkung hat und nicht ganzheitlich eingesetzt wird. Das kann am Ende die Unternehmenskultur zerstören. Dieses ganzheitliche Denken in die Köpfe zu bekommen, ist das Schwierigste, aber auch das Wichtigste. Es bringt nichts, ein spannendes Tool, das man vielleicht auf einer Messe gesehen hat, sofort zu integrieren. Man muss erstmal schauen, ob es Sinn macht und das geht nicht ohne Strategie.
Wie finden KMU die passenden KI-Anwendungen und -Lösungen?
Den Gesamtüberblick zu behalten, ist bei dieser Masse an KI-Tools nicht möglich. Man kann nur einzelne Bereiche im Blick behalten. Es gibt verschiedene Marktplätze im Internet, in denen neue Tools kategorisiert, getestet und bewertet werden. Berater können ebenfalls helfen, vor allem mit Blick auf die Gesamtstrategie.
Was sind die aktuellen KI-Trends für Unternehmen?
Was sich abzeichnet ist, dass generative KI, die Mails verfasst, Dokumente scannt und eigenständig neuen Content generiert, immer mehr zu unserem Alltag gehören wird. Wir erwarten zudem eine engere Verschmelzung von Technologien wie im Metaverse, also reale Abbildungen in einem digitalen Umfeld oder digitale Zwillinge mit KI und VR. Auch autonome Systeme beim Fahren, Fliegen und in der Logistik werden ebenso wie Roboter eine wachsende Rolle im Berufsumfeld spielen.
Weitere Infos: Sally Friedrich (wfc), Tel. 02594 78240-26, Mail: sally.friedrich@wfc-kreis-coesfeld.de; Nathalie Reichel (wfc), Tel. 02594 78240-24, Mail: nathalie.reichel@wfc-kreis-coesfeld.de