Münster

Das Münsterland als Vorreiter der Wärmewende

Münster - Die Wärmewende: Alle wissen, dass sie notwendig ist, aber Ängste und Vorbehalte behindern manchmal ihren Fortschritt. Das ist die Ausgangslage. In Münster wurde am Freitagabend beim Forum „Wärmewende made in Münsterland“ jedoch ein bewusster Kontrapunkt gesetzt. „Wir sind der festen Überzeugung: Die Energie-Wärmewende ist machbar, sie ist wirtschaftlich und sie ist umsetzbar“, formulierte Jesko von Stechow, Finanzvorstand des Gastgebers Westfalen AG.

Zahlreiche Gäste verfolgten am Freitag das Forum Wärmewende made in Münsterland. Foto: C. Schulte

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Gemeinsam mit der Wirtschaftsinitiative Münster (WIN), der Fachhochschule Münster und 2G Energy aus Heek sollte am Freitag in Münster ein klares Signal gesetzt werden – ein „expliziter Kontrapunkt“, wie es von Stechow nannte. Das Ziel? Am Ende des Abends sollten die zahlreichen Gäste mit dem Gefühl nach Hause gehen, dass die Wärmewende eben doch gelingt.
Um die Veränderungskraft des Münsterlands darzustellen, wurden verschiedene Praxisbeispiele präsentiert. Zuvor jedoch wurde die Zukunftsvision eines modernen Landes entworfen. In zehn Jahren – so die schöne Vorstellung – werden im Münsterland Abwärme und Flusswärme genutzt. Parks statt Parkplätze. Ein starker ÖPNV, Fassadenbegrünung, Photovoltaik und Wärmepumpen überall. E-Mobilität für Lkw, Transportdrohnen für die letzte Meile.
Eine Utopie. „Aber auch realistisch?“, fragten die Moderatoren Kai Tenzer (Cyrano) und Sandra Wulf (WIN). Die Antwort steht im Jahr 2025 noch aus – doch die Richtung war damit vorgegeben. „Es gibt eine Menge Potenzial im Münsterland“, so Tenzer.

Genau deswegen sollte das Münsterland als Vorbildregion präsentiert werden – was NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur dann auch tat. „Das Münsterland ist eine Vorreiterregion“, lobte sie. Sie warb für Kooperation und Kollaboration. „Das wird sicher kein leichter Weg, den Sie sich hier vorgenommen haben“, so Neubaur mit Blick auf viele interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer aus Unternehmen des Münsterlandes. „Aber es würde uns in ganz NRW zu Gesicht stehen, wenn wir anständige Menschen wären und begriffen, dass Defossilisierung notwendig ist und schrittweise umgesetzt werden kann – nicht überambitioniert, sondern solide im besten Sinn.“

Neubaur verwies auf zahlreiche Projekte im Münsterland, die bereits entstanden sind. „Hier gibt es Kommunen, die in Teilen bereits fertig sind mit ihrer Wärmeplanung. Dass wir als Land NRW auch Kosten dafür übernehmen können, macht mich sehr froh. Wir wissen ja alle um die finanzielle Lage der Gemeinden“, gab sie zu.

Ihr Versprechen: „Wir unterstützen als Land Förderprogramme für Gemeinden, wir unterstützen das Handwerk über Weiterqualifizierungen der Gewerke für Gas, Heizung oder Klima. Und wir wollen, dass all das einfach und genehmigungsarm geht.“ Was im Münsterland entstehe, habe das Zeug, ein „Leuchtturm“ zu sein. Aber „no pressure“, wie sie dann mit einem Schmunzeln schloss.

Die rosarote Wärmezukunft bleibt zugegeben vorerst noch ein Traum. Für die IHK Nord Westfalen lobte jedoch Dr. Eckhard Göske, fachpolitischer Sprecher für Industrie, Forschung, Innovation und Informationstechnologie, die Unternehmen in der Region. „Wir haben hier eine innovative, exportorientierte Unternehmerschaft. Jetzt brauchen wir auch neues Denken – Unternehmen, die einfach mal anfangen, Dinge zu entwickeln und in den Markt zu bringen.“ Und damit das gelinge, brauche es auch eine „Entfesselung der Innovationstechniken“, wie Göske formulierte. Sein Wunsch: erst machen, dann regulieren. Gerade die Wirtschaft im Münsterland sei dazu in der Lage, weil sie agil und flexibel sei.

Da wollte Jürgen Kroos nicht widersprechen. Der Präsident der Handwerkskammer Münster betonte allerdings, dass es dann auch Menschen brauche, die all diese Innovationen am Ende konkret umsetzen. „Ohne das Handwerk geht die Wärmewende nicht. Wir müssen die Berufe also attraktiver machen und brauchen mehr Wertschätzung für diejenigen, die das alles bauen und umsetzen.“

Es wurde natürlich auch konkreter in Münster. Friedrich Pehle, CFO beim Heeker Unternehmen 2G Energy, sprach über digitale Potenziale und auch die Herausforderungen: "Man verliert bei diesem Thema leicht den Überblick, da müssen wir etwas tun." 

Dominik Wilhelm von der Wirtschaftsförderung Münster kündigte die Förderung nachhaltiger Gewerbegebiete an - ein Pilotprojekt wird in Kürze an der Siemensstraße präsentiert. Wilhelm betonte die Bedeutung von Dialog: "Unternehmen brauchen Planbarkeit."

Für die FH Münster stellte Prof. Elmar Brügging beispielsweise das Projekt F|Heat vor. Dabei handelt es sich um ein kostenloses Open-Source-Tool zur Erstellung und Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung – eine Anwendung also, die aktuell exakt die Herausforderung der Zeit trifft. F|Heat nutzt frei verfügbare Karten von QGIS und ermöglicht es Kommunen, in zehn Minuten eine Visualisierung und Auswertung über Energieverbräuche, Anschlussdichte oder Baualter von Gebäuden zu erzeugen. „Damit ermöglichen wir eine verkürzte Wärmeplanung, gerade für kleine und mittlere Kommunen“, betonte Brügging.

Die Westfalen AG stellte als Gastgeber vor, wie sie ihre „Vision 2030“ umsetzt und schrittweise den eigenen CO₂-Ausstoß reduzieren will – auf ein „Netto-Null bis 2030“, wie es von Stechow formulierte. Westfalen setze auf Bio-Propan und habe unlängst ein Unternehmen für Wärmepumpen erworben. „Wir wollen der größte Installateur von Wärmepumpen in NRW werden“, so die klare Ansage.

Für den Kreis Steinfurt berichtete Silke Wesselmann, Leiterin des Amtes für Klimaschutz und Nachhaltigkeit, vom Projekt „Energieland 2050“. Über Bürgerenergiegenossenschaften und Quartiersberater wolle der Kreis eine moderne Wärmeinfrastruktur schaffen – „ohne soziale Schieflagen“, wie Wesselmann betonte.
 

Markus Prior vom Immobilienberatungsunternehmen FACT GmbH (Münster) verwies auf das große Potenzial zur Transformation alter Bestandsgebäude, die nun schrittweise umgerüstet werden könnten. Verena Gölkel von der Krankenhausgruppe St. Franziskus-Stiftung präsentierte, wie energieintensive Krankenhausbetten durch klimafreundliche Gase nachhaltiger betrieben werden könnten – und wie OP-Nachtabschaltungen oder intelligente Lüftungssteuerungen einen Beitrag leisten können. Mehr noch: „Beim Neubau unserer Gesundheitsakademie in Münster setzen wir auf Wärmepumpen.“ Es seien eben viele kleine Schritte notwendig und möglich.

Und zuletzt zeigte auch Markus Fleischer von BASF Coatings, wie der Farben- und Lackhersteller von einem CO₂-Ausstoß von 58.000 Tonnen im Jahr 2018 auf null Tonnen CO₂ im Jahr 2045 kommen will – durch Synergien wie die gemeinsame Nutzung der kommunalen Kläranlage, den Anschluss an das künftige Nahwärmenetz oder den konsequenten Aufbau von Wärmepumpen.

Wie sagte Mona Neubaur doch? „Es gibt die Chance zu entdecken, welche Wertschöpfungen und Technologien entstehen können. Das soll dann auch weit über das Münsterland hinausreichen.“
 


 

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