Marken und Macher 2024

Preußen Münster | „Ohne Glaubwürdigkeit kann man keine Emotionen auslösen”

Der SC Preußen Münster (SCP) hat in den vergangenen zwei Jahren viele Erfolgsgeschichten geschrieben. Spätestens mit dem überraschenden Aufstieg in die 2. Bundesliga hat sich der Klub nachhaltig in Erinnerung gerufen, im Münsterland führt im Grunde kein Weg an den Adlerträgern vorbei. Die vielen schwarz-weiß-grün bemalten Brücken in der Region sind ein visueller Beleg dafür. Der Erfolg brachte aber auch ganz neue Phänomene mit sich: Tickets für die Preußenspiele sind ein rares Gut, das wird sich möglicherweise erst mit dem Stadionumbau ändern, der bis 2027 abgeschlossen sein soll. Aber auch Unternehmen entdecken den Klub zunehmend als spannenden Ort für zwanglose Begegnung, für das geschäftliche Netzwerken oder einfach als Werbeplattform mit bundesweiter Strahlkraft.

Ole Kittner, bis 2020 selbst Fußballprofi beim SC Preußen, ist heute einer von drei Geschäftsführern. Zu seinen Aufgabengebieten zählt aktuell neben dem Sport auch der Bereich Marketing, Strategie und Kommunikation. Im Interview mit Wirtschaft aktuell spricht der 37-Jährige darüber, welche Rolle der Klub nicht erst seit dem Doppelaufstieg für die regionale Wirtschaft spielt, was den Klub selbst zu einer Marke macht und wie beide – Klub und Unternehmen – voneinander profitieren.

Herr Kittner, warum ist der SC Preußen Münster so spannend für Unternehmen?   
Darauf gibt es viele Antworten. Zunächst ist für uns wichtig, ein klares Profil zu haben. Die Menschen sollen hier etwas sehen, das sie emotional mit Münster verbinden. Mit unseren Werten und unserer Haltung passen wir gut zur Stadt Münster, in der Nachhaltigkeit und Inklusion gelebt wird. Deshalb können wir eine Plattform anbieten, auf der sich Unternehmen sehr gut positionieren und zugleich ihre eigene Marke positiv „aufladen“ können. Das geht über den Fußball noch immer am besten. Man könnte natürlich auch einfach eine Reklame mit einem schlauen Spruch aufhängen, aber gemeinsame Projekte mit einem Klub wie Preußen Münster aktivieren Marken viel besser.   
Das Stadion ist aber einfach auch ein Ort, an dem Unternehmen alle zwei Wochen zusammenkommen, ganz ohne Agenda, ohne Schlips und Kragen, und sich auf persönlicher Ebene treffen. Daraus entstehen oft Geschäftsbeziehungen, weil man eine gemeinsame Vertrauensbasis schafft, die letztlich auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner fußt, dem Sport nämlich.  

Warum funktioniert gerade der Fußball dafür noch so gut?   
Fußball ist immer noch ein ausgesprochen attraktives Geschäftsmodell. Es gibt nicht mehr viele Bereiche, in denen zur gleichen Zeit alle in die gleiche Richtung schauen. Vieles ist heute individualisiert, aber beim Fußball kommen Menschen aus allen Lebensumständen und Altersgruppen im Stadion zusammen und erleben diese besondere Atmosphäre. Das ist ein Umfeld, das Reichweite schafft.  

Ist Atmosphäre allein schon genug?  
Natürlich erwarten Unternehmen auch, dass sie inhaltlich individuell betreut werden. Sie erwarten, dass wir verstehen, welche strategischen Ziele sie verfolgen, und wollen sehen, wie wir dabei helfen können. Weil die Erwartungen ganz unterschiedlich sind, funktioniert das auch nicht nach Schema F. Die einen suchen Mitarbeiter, die anderen wollen sich als Marke positionieren.   

Wie haben gerade die vergangenen beiden Jahre geholfen, dieses Angebot noch attraktiver zu machen?   
In jedem Fall hat sich der Bereich Sponsoring gut entwickelt, die zwei Aufstiege waren sicher nicht hinderlich. Wir haben aber  auch unabhängig von der Klassenzugehörigkeit eine starke Entwicklung genommen. Ich würde überhaupt eher von Partnerschaften sprechen, weil unsere Vereinbarungen in der Regel sehr individuell sind. Wir haben schon in der Regionalliga Zuwächse erlebt und verfügen heute über eine sehr gute Ausgangslage. Was auch daran liegt, dass wir uns in einem sehr spannenden Umfeld bewegen: Das Münsterland ist dank eines starken Mittelstands gesund und gerade solche Unternehmen können die Plattform Preußen Münster gut für ihre Botschaften aktivieren.  

Diese gute Stimmung ist nicht immer ein Selbstläufer. Es gab im Zusammenspiel zwischen Klub und Wirtschaft schon schwierigere Zeiten. Wie hat sich der SC Preußen entwickelt?  
Wir haben es früher vielleicht nicht immer geschafft, unsere Betreuung so zu gestalten wie heute; mit guter Kommunikation und marktgerechten Preisen. Und manchmal fehlte ein bisschen die Verbindlichkeit in Prozessen und Abläufen. Ich glaube, dass wir heute mit unserem Vermarktungspartner Sportfive ein gutes Setting gefunden haben.  

Das bedeutet auch, nicht jeden Deal zu machen? 
Genau. In 95 Prozent der Fälle sitzen Sportfive und wir in einem Boot und haben die gleichen Interessen. Aber die letzten fünf Prozent, über die wir manchmal diskutieren, können entscheidend sein. Dann kann es auch einmal darum gehen, ein Sponsoring abzulehnen, das für den Moment zwar lu­krativ ist, auf lange Sicht aber das Profil des Klubs verwässert oder beschädigt.  

Sie meinen den kurzzeitigen Einstieg von Investoren, die aus dem Umfeld der Waffenindustrie stammten?  
Ja. Das war ein Fehler im Klub, weil wir dieses Investment nicht genau genug geprüft hatten. Aber wir haben das gelöst.   

Sind solche „Roten Linien“ für den SC Preußen Münster nun klarer formuliert?  
Ich bin optimistisch, dass wir in der Geschäftsführung oder dem Beirat das gleiche Verständnis davon haben, wo unsere Grenzen liegen. Auch wenn wir das nicht exakt definiert haben. Am Ende geht es hier nicht um Selbstverwirklichung und meine persönlichen Werte. Meine Überzeugungen müssen sich nicht immer oder bis ins letzte Detail mit dem Wertegerüst des SC Preußen decken, manches werden wir diskutieren müssen. Aber man kann mittlerweile ganz gut erkennen, wo die Leitplanken des Klubs stehen.  
Eines möchte ich noch ergänzen: Ich glaube, dass Glaubwürdigkeit auch ein wichtiger Faktor für unsere Plattform und unsere Partner ist. Ohne Glaubwürdigkeit kann man keine Emotionen auslösen, daher sind die oben angesprochenen fünf Prozent so wichtig, weil man mit ihnen auch viel kaputt machen kann.  

Suchen Unternehmen die Nähe zum Klub, weil er für bestimmte Überzeugungen steht? Oder ist das ein eher nüchternes Geschäftsinteresse? 
Das muss man differenzieren. Wenn das Interesse des Unternehmens reine Markenbekanntheit ist, gäbe es vielleicht bessere Plattformen als Preußen Münster, beispielsweise in der Bundesliga. Wenn man sich in der Region mit bestimmten Themen positi­onieren möchte, sind wir interessant.  

Wie hat sich denn das Interesse zuletzt entwickelt? 
Während sich unsere Arbeit zuletzt nicht viel verändert hat, hat sich unser Produkt natürlich weiterentwickelt. So sehr, dass es für Unternehmen spannend ist. Wir spüren das, weil sich heute Türen öffnen, die bisher verschlossen waren. Dabei geht es für uns darum, eine klare Vorstellung davon zu haben, was wir am Markt platzieren möchten. Dann werden wir auch gefunden.  

 

Hat der Klub diesen Prozess abgeschlossen? 
Wir haben viele Schritte gemacht, sind aber noch nicht fertig. Wir sehen in unserer Entwicklung viele Dinge, die Einfluss darauf haben. Während der WM in Katar haben wir in Münster ein Sondertrikot mit Regenbogenfarben getragen. Das hat nicht eine Agentur irgendwann am Tisch ausgeheckt, sondern das hat eine Vorgeschichte im Stadion, als die Zuschauer Anfang 2020 ganz stark auf einen rassistischen Vorfall während eines Spiels reagiert haben. So eine Aktion mit dem Sondertrikot passt also einfach zur Stadt und zum Klub. Unsere Aufgabe wird immer sein, darauf zu achten, welche Kultur hier im Klub schon vorhanden ist, und diese dann nach außen hin sichtbar zu machen.  

Natürlich ist ein Fußballklub heute ein Wirtschaftsunternehmen mit einem sportlichen Anspruch, für den Einnahmen aus dem Sponsoring wichtig sind. Wie können Unternehmen im Stadion selbst die Zuschauer für sich einnehmen? 
Viele unserer Partner haben bereits verinnerlicht, dass sich ihr Engagement bei Preußen Münster auszahlt, wenn sie sich integrieren. Wenn auch die Zuschauer spüren: Das Herz des Unternehmens schlägt ein bisschen für Preußen Münster. Man spürt das in den Business-Bereichen im Stadion, in denen viele Unternehmen mit den Klubfarben spielen, beispielsweise in den Logen. Das erzeugt einen hohen Wiedererkennungswert.  

Ein paar Reibungspunkte bringt das in der Realität aber sicher mit sich?  
Das stimmt schon. Gerade beim Thema Blockfahnen sind wir manchmal unterschiedlicher Meinung. Die hängen teilweise über den Werbebanden, weil sie da eben schon immer hingen. Das können wir nicht immer auflösen. Wir wollen mit dem Klub heute sportlich und infrastrukturell den nächsten Schritt machen und dabei kann man es nicht immer allen recht machen. Wichtig wird sein zu zeigen, dass wir im Sinne der Sache arbeiten. Das Konfliktpotenzial bei über 8.000 Mitgliedern und mehr als 12.000 Zuschauern im Stadion ist einfach vorhanden, das muss man auch aushalten können.  

Wenn man sich die Unternehmenslandschaft im Preußen-Sponsoring anschaut, scheint das alles im Münsterland gut zu funktionieren.  
Tatsächlich findet sich bei uns ein ganz starker Kern von Unternehmen aus der Region. Von unseren elf größten Sponsoren stammen zehn aus dem Münsterland. Das ist schon ein starkes Fundament. Aber es spricht auch dafür, dass wir in gewisser Weise ein Botschafter für Münster und das Münsterland sind.  

Wie stützt Preußen Münster selbst dieses Fundament?  
Übers Jahr bieten wir den Unternehmen immer wieder Veranstaltungen an, beispielsweise einen Neujahrsempfang, aber auch mal ein Golfturnier. Dabei geht es immer darum, Unternehmen zusammenzubringen. Wir selbst versuchen auch, unsere Partner einzubinden, wenn es sich anbietet. Gerade mit Blick auf den anstehenden Stadionumbau haben wir viele Unternehmen im Sponsorenpool, die sich in Sachen Bau gut auskennen. Im neuen Stadion wird es eine Kita geben und in unserem Hospitality-Konzept steht auch ein familienfreundlicher Bereich – da wäre es ja verrückt, wenn wir uns nicht weiter mit dem Coppenrath Verlag vernetzen würden. Ein anderes Beispiel: Wenn wir uns mal mit dem Thema Wickelräume beschäftigen, dann würde ich vermutlich bei BabyOne anfragen, auch wenn die noch gar kein Partner sind. Sie sind aber als Unternehmen aus der Region spannend und vielleicht kann aus gemeinsamen Projekten mehr entstehen. 

So war das mit dem Grevener Logistiker Fiege, der 2020 als Trikotsponsor in einer schwierigen Situation beim SCP einsprang, aber nur ein Jahr bleiben wollte. Den Vertrag hat Fiege seitdem mehrfach verlängert.  
Fiege kam nach dem Abstieg an Bord und hat uns auch durch schwierige Phasen begleitet. Als sie eingestiegen sind, ohne dass bereits klar war, wie es mit Preußen Münster weitergehen würde, war das auch ein Signal an andere Unternehmen. Damals war klar verabredet, dass es nur um eine Saison gehen würde. Aber dann hatte diese Partnerschaft sowohl bei uns als auch bei Fiege intern einen so guten Effekt, dass wir sie fortgeführt haben. Heute sprechen wir über eine ganz besondere Partnerschaft.  

Dass Fiege auch in der 2. Bundesliga an Bord bleiben würde, war also nicht selbstverständlich? 
Nein. Es muss für den Partner und für uns auch wirtschaftlich passen. Andererseits würden wir diese Partnerschaft auch nicht wegen der erstbesten Möglichkeit aufgeben. Wir haben uns mit Fiege für die 2. Bundesliga sogar eine kreative Lösung überlegt: Für den DFB-Pokal gab Fiege das Trikot frei, so konnte sich unser Partner Gieseke präsentieren. Das war für Preußen Münster nicht nachteilig. Das geht aber nur, weil es hier nicht um Eitelkeiten geht, sondern um eine starke Partnerschaft.  

Das Preußenstadion ist mittlerweile auch abseits der Spiele ein Treffpunkt für Unternehmen geworden.  
Das ist so, und wir sprechen hier wieder über die emotionale Seite des Sponsorings. Ein Stadion ist ein besonderer Ort mit einer ungewöhnlichen Energie. Diese Atmosphäre können Unternehmen für Mitarbeiter oder Kunden erlebbar machen. Es gibt dafür viele Möglichkeiten: Vom Bewerbungsgespräch in der Loge über Workshops sind viele coole Ansätze denkbar. Zuletzt war der Bundesverband mittelständische Wirtschaft im Stadion zu Gast, mittlerweile zum dritten Mal. Und dabei ging es darum, welche Erkenntnisse sich aus dem Sport auf Unternehmen übertragen lassen. Solche Veranstaltungen stehen für den Begegnungsort Stadion und seine Bedeutung für die regionale Wirtschaft.  

Weil wir über die Logen sprachen: Wie groß ist das Potenzial?  
Wir haben heute bereits elf Logen und eine Warteliste. Auf der künftigen Nordtribüne wird es weitere 17 Logen geben. Sie sind ein unglaublich beliebtes Werkzeug für Unternehmen, sich einen eigenen Platz zu schaffen und mit einer ganz speziellen Note zum Treffpunkt zu machen.  

Nun ist es keine Überraschung, dass sich der Fußball und damit auch die Marke Preußen Münster aus dem Erfolg speist. Würde ein Abstieg aus der 2. Bundesliga die Plattform SCP bröckeln lassen?  
Das glaube ich nicht. Wir haben mit unseren Partnern eine langfristige Vision für den SC Preußen Münster entwickelt. Und wir kommunizieren klar, dass es durch den Stadionumbau und die damit verbundenen Einschränkungen in den kommenden Jahren auch mal zu Rückschlägen kommen kann. Dann müssen wir mit Leben füllen, was wir zuvor besprochen haben und uns einhaken. Aber dann wird es richtig gut. 

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