Velen

Dagmar Jeske: „Intensive und tolle Zeit“

Was sie in den zehn Jahren im Amt als Velens Bürgermeisterin besonders geprägt hat, welche Projekte sie bis zum Ende ihrer Amtszeit im Herbst noch anschieben will und was sie Besucherinnen und Besucher der Stadt empfiehlt, verrät Dagmar Jeske im Interview.

 

Dagmar Jeske, Bürgermeisterin Stadt Velen Foto: Anja Wittenberg

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Frau Jeske, im Herbst endet Ihre Amtszeit als Bürgermeisterin der Stadt Velen. Bei der Kommunalwahl 2025 wollen Sie nicht erneut kandidieren. Wie blicken Sie auf Ihre Zeit als Bürgermeisterin seit 2016 zurück? 

Sehr glücklich und zufrieden. Es war eine sehr intensive und tolle Zeit, in der ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Rathaus viele Projekte umsetzen oder anstoßen konnte. Bürgermeisterin zu werden, war für mich – ehrlich gesagt – schon immer ein echter Lebenstraum, seitdem ich meine berufliche Laufbahn in der Verwaltung begonnen habe. Dass ich das zehn Jahre machen durfte, ist ein schönes Gefühl. Trotzdem war es natürlich auch eine Zeit voller Herausforderungen. Die letzten Jahre waren angesichts der vielfältigen Krisen – angefangen bei der Flüchtlingsbewegung über Corona bis hin zum Ukrainekrieg und den Energiepreissteigerungen – sehr intensiv. Wir haben diese Phasen aber gut meistern können und auch große Erfolge für die Stadt verzeichnet. Zum Beispiel die städtebauliche und infrastrukturelle Entwicklung mit der Rathaussanierung, der aktuellen Ortskernsanierung in Ramsdorf, der Entwicklung von Baugebieten oder dem Erhalt der weiterführenden Schule. 

Was werden Sie vermissen? 

Die Begegnungen mit Menschen jeglicher Art, ob es nun die Bürgerinnen und Bürger sind, oder die Fachleute, mit denen ich gemeinsam Ideen für Velen und Ramsdorf entwickeln konnte. Dabei waren auch ein paar besondere und beeindruckende Begegnungen, wie etwa zuletzt mit der Präsidentin der Republik Moldau. Als Bürgermeisterin verbringe ich die meiste Zeit des Tages bei der Arbeit. Insofern sind mir natürlich besonders die Kolleginnen und Kollegen im Rathaus sehr ans Herz gewachsen. Diese Kontakte werden mir fehlen. 

Was haben Sie während dieser Zeit neu über sich gelernt? 

Vieles! Vor allem, dass ich unter Druck sehr gut funktioniere und vielleicht sogar genau dann die besten Arbeitsergebnisse hervorbringe. Aber auch in Krisenzeiten ruhig und bedacht zu bleiben, habe ich gelernt. Für mich als durchaus ungeduldiger Mensch war es aber sicher die größte Herausforderung, dass sich nicht jede Idee sofort umsetzen lässt. Die bürokratischen Hürden können sehr hoch sein, sodass man für Manches einfach Zeit braucht – aber auch Beharrlichkeit und Überzeugungskraft. Als Bürgermeisterin muss ich mich außerdem gut in andere Menschen hineinversetzen können, um Verständnis für ihre Ansichten zu haben. Das habe ich zuletzt wieder bei der Ortskernsanierung in Ramsdorf gemerkt, bei der die Anwohner andere Interessen verfolgen als beispielsweise die Unternehmer. Hier muss man Kompromisse finden. 
 

Mit dem Amtswechsel übergeben Sie auch ein frisch renoviertes Rathaus. Was hat sich hier getan? 

Wir haben aus der bisherigen L-Form durch einen Anbau ein U gemacht und den bestehenden Trakt energetisch saniert. Unser Rathaus ist nun endlich barrierefrei geworden. Wer mit dem Rollstuhl oder Kinderwagen unterwegs ist, kann mit dem Fahrstuhl alle Etagen problemlos erreichen. Auch der neue Bürgersaal wird bereits rege genutzt, zum Beispiel durch die Volkshochschule, für Ausstellungen oder Veranstaltungen. Durch den Anbau haben wir außerdem mehr Raum und modernere Arbeitsplätze für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschaffen, sodass wir uns als attraktive Arbeitgeberin präsentieren können – schließlich haben sich die Anforderungen seit den 1950er Jahren, in denen das Rathaus gebaut wurde, deutlich verändert. Durch den neu gestalteten, hellen Eingangsbereich wirkt das Rathaus nun auch viel einladender und freundlicher.  

Bis zu den Wahlen gibt es noch jede Menge zu tun. Unter anderem setzt die Stadt Velen derzeit das Klimaschutzkonzept um, mit dem der Ausbau der Erneuerbaren Energien vorangetrieben werden soll. Zwei Punkte daraus sind die geplanten 13 Windkrafträder sowie das Carsharing-Projekt. Erklären Sie doch mal … 

Die Energiewende beschäftigt uns – wie viele andere Kommunen – sehr. Für die 13 Windkraftanlagen haben wir von städtischer Seite schon das Einvernehmen erteilt, sodass die Anträge jetzt zur Genehmigung beim Kreis Borken vorliegen. Außerdem hat sich eine Projektgruppe aus Bürgerinnen und Bürgern zusammengefunden, die ebenfalls drei Anlagen plant – zwei auf Velener Gebiet und eine in Südlohn. Insgesamt werden in den kommenden Jahren also 15 Windrädern entstehen. Das ist ein wichtiger und richtiger Schritt in Richtung Energieautarkie. 16 Anlagen sind bereits in Betrieb, sodass wir dann künftig das Vierfache unseres Stromverbrauchs produzieren können. Besonders schön ist, dass an allen Windrädern Anwohner und weitere Bürger aus Velen und Ramsdorf in Form einer Bürgerenergiegenossenschaft finanziell beteiligt sind und vom Betrieb der Anlagen profitieren werden. Dieses Modell und die frühzeitige Kommunikation über die Projekte haben dazu beigetragen, dass es kaum Einwände gegen den Bau der Windkraftanlagen gab.  

Und das Carsharing-Projekt? 

Das bisherige Carsharing-Projekt ist offiziell ausgelaufen. Wir halten aber in beiden Ortsteilen die Ladesäulen aktiv, sodass dort weiterhin Strom getankt werden kann. Da das Projekt grundsätzlich gut angenommen wurde, wollen wir es jetzt mithilfe einer Förderung erneut starten. Dafür werden wir an zentralen Stellen in Ramsdorf und Velen – beispielsweise an den Mobilstationen in der Nähe der Rathäuser in Ramsdorf und Velen – ein E-Auto stationieren. Es soll vor allem für die letzte Meile von der Bushaltestelle nach Hause oder umgekehrt genutzt werden. Drei Jahre lang wird das Projekt laufen und wir hoffen, dass es sich so gut etabliert, dass sich das Angebot danach auch ohne eine Förderung wirtschaftlich trägt.  

Im Wohnbaubereich schaffen Sie jetzt neue Möglichkeiten mit Wohngebieten in Velen und Ramsdorf. Was ist da geplant? 

In Ramsdorf schaffen wir mit dem Baugebiet „Musekamp“ 115 Grundstücke. Die Interessentenliste ist lang, allerdings haben wir bestimmte Vergabekriterien aufgestellt. Es gibt zum Beispiel Punkte für die Anzahl der Kinder. Relevant ist auch, ob die Häuslebauer hier selbst arbeiten und bereits in der Stadt wohnen oder ob sie pflegebedürftige Angehörige betreuen. Wir werden das Areal ab Sommer erschließen und beginnen dann Ende des Jahres oder spätestens Anfang 2026 mit der Vermarktung. Auch in Velen sind wir auf einem guten Weg: Im Neubaugebiet Winning schaffen wir gerade die städteplanerischen Voraussetzungen. Wir werden dort 2027 oder 2028 etwa 80 bis 85 Baugrundstücke in die Vermarktung geben. Insgesamt kommen in Velen und Ramsdorf in den kommenden drei Jahren also rund 200 Baugrundstücke auf den Markt – das ist schon mal ein großes Pfund. 

Als Bürgermeisterin haben Sie auch engen Kontakt zur Wirtschaft in Velen. Wie geht es den Unternehmen vor Ort zurzeit? 

Gemischt und gut. Grundsätzlich sind die Unternehmen in Velen und Ramsdorf gut aufgestellt. Viele haben volle Auftragsbücher, gleichzeitig sind aber auch die Herausforderungen unserer Zeit spürbar: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, steigende Energiekosten, hoher Wettbewerbsdruck und allen voran der Fachkräftemangel. In meinen Gesprächen bestätigen mir die Unternehmen immer wieder, dass sie am liebsten morgen neue Fachkräfte oder Azubis einstellen wollen würden. Insofern bin ich sehr froh, dass es mit der kreisweiten „Nacht der Ausbildung“ ein Format gibt, dass Schülerinnen und Schüler mit Unternehmen zusammenbringt – und das sehr erfolgreich. In Velen haben sich im vergangenen Jahr allein 19 Unternehmen beteiligt. Auch die Investitionsbereitschaft der Unternehmen ist trotz der weltpolitisch schwierigen Lage sehr hoch bei uns. Um mal ein paar Beispiele zu nennen: Unter anderem die Bäckerei Mensing und das Entsorgungsunternehmen Kremer werden ihre Standorte ausbauen. Im Großen und Ganzen stehen die Unternehmen in Velen und Ramsdorf solide da, sie sind sehr anpassungsfähig. Und wir stehen ihnen mit unserer Wirtschaftsförderung mit Rat und Tat zur Seite.  

Frau Jeske, Velen ist seit 2023 Luftkurort. Was würden Sie vor diesem Hintergrund Besucherinnen und Besuchern empfehlen, die die Stadt besuchen? 

Das kommt ganz darauf an, ob man gerne aktiv ist oder lieber etwas entspannter unterwegs ist. Wer einen gemütlichen Spaziergang bevorzugt, dem empfehle ich den Tiergarten und Schlosspark. Gemeinsam mit der Stadt Borken haben wir außerdem vor Kurzem den neuen, knapp 14 Kilometer langen Wanderweg „Die Berge“ eröffnet. Die Strecke ist in verschiedene Abschnitte und Schwierigkeitsgrade unterteilt, sodass für jeden etwas dabei ist. Wer lieber das Rad nimmt, kann eine Tour entlang der Bocholter Aa machen. Auf der Strecke kann man auch die sogenannte Lauschtour nutzen: Per App gibt es damit Infos zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in der Nähe. Auch die 100-Schlösser-Route führt an Velen vorbei. Einen Besuch wert ist außerdem der Artesische Brunnen zwischen Velen und Heiden. Mit seinem Kneippbecken und dem Barfußweg kann man dort nicht nur den Füßen etwas Gutes tun, sondern auch richtig gut entspannen. Kulturfans empfehle ich die Burg Ramsdorf oder einen Bummel durch den historischen Ortskern von Ramsdorf. So ergibt sich eine gute Mischung aus Natur, Erholung und Aktivität. 

Das Interview führte
Anja Wittenberg

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