Krampe - Wissenstransfer morgens um sechs

800 Kilometer. So lang ist in etwa die Strecke von Hamburg bis nach München. Oder die Route, die vier Stapler innerhalb eines Monats auf dem Gelände des Fahrzeugbauers Krampe in Coesfeld zurücklegen. Zu viele Kilometer, dachten sich Geschäftsführer Robin Krampe und sein Team. In Kooperation mit drei Studierenden aus dem Masterstudiengang Logistik der FH Münster und Professor Dr. Carsten Feldmann von der Münster School of Business der FH Münster hat das Unternehmen deshalb die Intralogistik und den Staplerverkehr auf dem weitläufigen Betriebsgelände in der ehemaligen Kaserne in Coesfeld-Flamschen unter die Lupe genommen – und optimiert.

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„Wir standen mit Carsten Feldmann schon öfter im Kontakt, da er beim Kompetenzzentrum Coesfeld beratend tätig ist und wir dort schon einige Workshops bei ihm zum Thema Führungskräfteschulung und Prozessmanagement absolviert haben. So kamen wir über unsere internen Ablaufprozesse und eine mögliche Zusammenarbeit mit der FH Münster ins Gespräch“, erläutert Krampe. Für den Unternehmer ist es das erste Mal, dass er ein Praxisprojekt mit Studierenden auf die Beine stellt. „Der Blick von außen ist absolut hilfreich, weil im Tagesgeschäft wenig Zeit bleibt, um Arbeitsprozesse zu analysieren, und oft schaut man auch zu festgefahren auf die eigenen Abläufe“, betont Krampe und spricht dabei von einer klassischen Win-win-Situation: Das Unternehmen ermöglicht den Studierenden Einblicke in die Praxis und das Projektmanagement, die angehenden Akademiker liefern wiederum das nötige theoretische Know-how. 

Die drei Studierenden Gesa Hedrich, Miriam Lammers und Tammo Märtens haben im vergangenen Wintersemester zunächst die Fertigungsprozesse bei Krampe kennengelernt und den Ist-Zustand der Logistik-Abläufe bei dem Hersteller von Anhängern für den gewerblichen Bereich erfasst. Dazu haben sie die Stapler mit GPS-Trackern ausgestattet, um ihre Fahrtwege auf dem Kasernen-Gelände genau überwachen zu können. Außerdem haben sie die Routen der Lageristen selbst gecheckt: „Die drei haben sich zur Frühschicht aufs Rad geschwungen und sind um sechs Uhr morgens hinter den Staplern hergefahren, um stichprobenartig zu überprüfen, ob die Tracker funktionieren und richtig messen. Das war voller Einsatz!“, lobt Geschäftsführer Krampe. 

Mittels der Internet-of-Things-Technologie haben die Studierenden auf Basis dieser Daten eine Übersicht der zurückgelegten Routen erstellt. „Wir hatten schon vorher ein Bauchgefühl, dass es für unsere interne Logistik noch jede Menge Potenziale für Zeit- und Kostenersparnisse gibt. Die Auswertung hat das dann schwarz auf weiß bestätigt. Das war sehr aufschlussreich und erschreckend zugleich“, blickt Krampe zurück. Ganze 800 Kilometer legten demnach vier Staplerfahrer innerhalb von vier Wochen auf dem Firmengelände zurück, um Material abzuladen und ins Lager oder zu den Fertigungshallen zu bringen. Darunter waren auch regelmäßig Leerfahrten, um von einem Auftrag aus dem nördlichen Firmengelände zu einem neuen Auftrag im Süden des 100.000 Quadratmeter großen Areals zu fahren. Andere Stapler legten vergleichsweise weniger Kilometer zurück. Darüber hinaus haben die Studierenden das Stresslevel der Fahrer gemessen, also zum Beispiel wie oft sie mit ihren Kollegen telefoniert haben, um Anweisungen zum Auftrag oder zu neuen Anfragen entgegenzunehmen. 

Insgesamt acht Stapler sind bei Krampe unterwegs. „Da kommt schon eine Menge Diesel zusammen, der verbraucht wird. Angesichts der aktuellen Energiepreise, aber auch aus Umweltschutzgründen und mit Blick auf mögliche Zeitersparnisse wollen wir daher auch unbedingt an dieser Stellschraube drehen“, betont Krampe. Zumal der logistische Aufwand für die 160 Mitarbeiter des Fahrzeugherstellers künftig nicht geringer wird: Zurzeit entsteht auf dem Gelände eine weitere Fertigungshalle mit Lagerflächen. Ein Grund mehr für den Geschäftsführer, den internen Warentransport unter die Lupe zu nehmen und die Staplerfahrten besser zu koordinieren. 

Mit der Einführung eines Staplerleitsystems, das die effizientesten Fahrtwege vorgibt, wollen die drei FH-Studierenden Abhilfe schaffen. Mithilfe des Systems sollen künftig keine Fahrten mehr wahllos auf Zuruf erfolgen, sondern nur noch geplante Fahrten auf sinnvollen Strecken. Dazu erfasst das Staplerleitsystem alle anfallenden Aufträge der Lageristen und verteilt diese auf die Stapler, je nachdem, wo die Fahrer sich gerade auf dem Gelände befinden. Um sich einen Überblick zu verschaffen, hat das FH-Team zunächst Staplerleitsysteme von verschiedenen Herstellern miteinander verglichen. Im Fokus der Studierenden stand dabei, inwiefern die Tools zum bestehen ERP- und Warehouse-Management-System bei Krampe passen, ob sie mit den Staplern kompatibel sind und wie hoch die Investitionskosten wären. „Wir prüfen zurzeit die verschiedenen Angebote und werden dann mit der Fertigstellung der neuen Halle im kommenden Jahr ein entsprechendes Staplerleitsystem implementieren“, blickt Krampe voraus.

Um schon jetzt für etwas mehr Effizienz in der Intralogistik zu sorgen, hat das Unternehmen mithilfe der drei Studierenden die Wege mit ein paar Veränderungen im Auftragsmanagement optimiert. „Wir haben festgelegt, welche Stapler reine Transportstapler sind, also kein Material von unseren Lieferanten abladen, sondern die Ware von A nach B bringen. Jeder Fahrer hat somit seinen festen Aufgabenbereich anstatt nach dem Motto ‚Jeder macht alles‘ zu arbeiten“, erläutert Krampe. Um Leerfahrten zu vermeiden, sind bestimmte Fahrer nur im nördlichen Bereich des Areals unterwegs, andere nur im Süden. Allein dadurch spart das Logistik-Team 27 Prozent der Wege ein. „Die Kooperation mit der FH Münster hat sich für uns also schon jetzt gelohnt. Wir haben eine kurzfristige Brückenlösung und eine solide Entscheidungsgrundlage für eine langfristige Optimierung erhalten“, betont der Unternehmer. 

Das bestätigt auch Professor Dr. Carsten Feldmann: „Unser Auftrag als FH ist es, Wissenstransfer aus der Hochschule in die Wirtschaft zu betreiben. Mit derartigen Praxisprojekten gelingt das gewinnbringend für alle Beteiligten.“ Für ihn sind solche Kooperationen auch ein guter Weg, um Studierende und Unternehmen bei der Fachkräftesuche zusammenzubringen. „Aus den Praxisprojekten ergeben sich häufig Gelegenheiten, die Bachelor- oder Masterthesis in dem jeweiligen Unternehmen zu schreiben und anschließend als Arbeitnehmer übernommen zu werden. Die jungen Menschen haben schon tiefe Einblicke ins Unternehmen bekommen und beide Seiten konnten sich kennenlernen. Es gibt daher mittlerweile viele ‚Wiederholungstäter‘ unter den Betrieben in der Region, weil sie gute Erfahrungen beim Wissenstransfer gemacht haben“, weiß Feldmann aus Erfahrung. Dennoch gebe es aus seiner Sicht noch mehr Potenzial für die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen. „Viele Betriebe wissen leider gar nicht, dass es auch sehr niederschwellige Möglichkeiten für den Wissenstransfer gibt und solche Projekte auch für kleinere Unternehmen machbar sind. Sie können wertvolles Wissen für kleines Geld erwerben, da die Studierenden in der Regel über Praktikumsverträge während des Projekts bei den Unternehmen angestellt sind“, räumt er ein. Das Krampe-Projekt sei ein gutes Beispiel dafür, wie sich unkompliziert Geschäftsprozesse mithilfe von wissenschaftlichem Know-how innerhalb kürzester Zeit optimieren lassen. 

Anja Wittenberg


Professor Dr. Carsten Feldmann, Münster School of Business, FH Münster

Wie hoch der Gabelstapler-Verkehr auf dem Betriebsgelände bei Krampe ist, 
haben die Studierenden der FH Münster mittels IoT anhand von vier Staplern analysiert.

Robin Krampe, Geschäftsführer Krampe Fahrzeugbau
 

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