Münster

IHK-Forum Unternehmensnachfolge: rechtzeitig den Prozess in Gang bringen

Münsterland/Dorsten – 35.000 Betriebe im Münsterland und in der Emscher-Lippe-Region stehen nach Erhebungen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen in den nächsten zehn Jahren vor der Herausforderung, die Nachfolge an der Unternehmensspitze zu regeln. Vor diesem Hintergrund informierten sich rund 200 Unternehmensvertreterinnen und -vertreter beim IHK-Forum im Creativquartier Fürst Leopold in Dorsten über familieninterne und externe Nachfolgemodelle.

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Bei der Veranstaltung berichteten Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Fachleute von Banken und Beratungseinrichtungen praxisnah über ihre Erfahrungen bei der Planung und Realisierung konkreter Nachfolgeprojekte. Unterstützt wurde die Veranstaltung von der NRW.Bank. 

„Fast 40 Prozent der Familienunternehmer im IHK-Bezirk Nord Westfalen sind älter als 55 Jahre“, unterstrich Sven Wolf, IHK-Geschäftsbereichsleiter Unternehmensförderung und Weiterbildung, die Aktualität des Nachfolgeproblems. Mit jedem Unternehmen, das aufgegeben werde, weil ein Nachfolger fehle, gingen Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft verloren, so seine Befürchtung. Aufgrund der Corona-Pandemie, gestörter Lieferketten, Energieunsicherheit und hoher Inflation hätten viele Unternehmen in den vergangenen Jahren den Generationenwechsel verständlicherweise nicht mit oberster Priorität verfolgt, so Wolf weiter. Damit Unternehmen beim Generationenübergang nicht in unruhiges Fahrwasser gerieten und bei Bedarf ihre ersten Ideen und Wünsche anpassen können, sei es aber wichtig, „rechtzeitig den Prozess in Gang zu bringen und dabei Fachleute mit ins Boot zu holen“. Vielen Inhabern und potenziellen Nachfolgern werde erst so richtig bewusst, wie komplex der Generationenwechsel ist, wenn sie sich aktiv damit auseinandersetzten. 

Wie Übernehmer von Unternehmen öffentliche Mittel bei der Nachfolgefinanzierung nutzen können, erläuterte Guido Hellmer von der NRW.Bank. Dabei zeigte er auf, dass für die Finanzierungsentscheidung der Fördermittelbank des Landes NRW drei Aspekte entscheidend sind: die aktuelle Geschäftslage des Unternehmens, seine Zukunftsaussichten und die Kompetenz des Nachfolgers. Stimme das Gesamtpaket, sei es für einen Nachfolger durchaus möglich, auch hohe Finanzierungskosten zu stemmen. 

Aus der Perspektive eines externen Nachfolgers sprach Lars Kiera. Mit 30 Jahren wurde der studierte Elektrotechniker Geschäftsführer bei RTS Electronic in Waltrop. Das Unternehmen führt er gemeinsam mit Oliver Vakilzadeh. Für ihn ist der Schlüssel für den Erfolg einer Unternehmensübernahme eine gut qualifizierte, eingespielte und motivierte Belegschaft.

Worauf es bei der Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie ankommt, erläuterten Ludger Wissing und Judith Deitert. Wissing hatte in diesem Jahr die Verantwortung für Pfreundt, einem international tätigen Hersteller mobiler Wiegesysteme mit Sitz in Südlohn, in die Hände seiner Kinder Judith Deitert und Jonas Wissing gelegt. Auf die Rolle als Chefin und Chef hatte der Seniorunternehmer die nachfolgende Generation frühzeitig vorbereitet. Beide sind seit zwei Jahren Teil der Geschäftsführung. 

Nachfolgerinnen und Nachfolger sollten sich nicht scheuen, im Übernahmeprozess die Initiative zu ergreifen und nach eigenen Wegen zu suchen, riet IHK-Vizepräsidentin Melanie Baum. Die Inhaberin von Baum Zerspanungstechnik in Marl hatte vor fast zehn Jahren das väterliche Unternehmen übernommen und dafür öffentliche Finanzierungsmittel in Anspruch genommen. Baum war vom Verband deutscher Unternehmerinnen mit dem „Next Generation Award 2020“ in der Kategorie familieninterne Nachfolge ausgezeichnet worden. 

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