Das Ergebnis sei vor allem den vielen Sondereffekten geschuldet, „die wir durch Krieg, Inflation und enge Lieferketten hatten“, erklärte Köckler. Dem stimmte auch Finanzvorstand Hermann Hesseler zu: „Grundsätzliche Veränderungstreiber wie Bevölkerungswachstum und Klimawandel traten im Februar 2022 mit Putins Invasion in die Ukraine in den Hintergrund. Im Ergebnis gerieten die globalen Märkte in Turbulenzen. Das machte sich in einer starken Inflation sowie steigenden Rohstoffpreisen und -knappheiten schmerzhaft bemerkbar. All dies wirkte sich auch massiv auf das Agravis-Geschäft aus.“
Hesseler bewerte die Zahlen für 2022 als „gutes Ergebnis“. Er betonte aber auch: „Gleichwohl wissen wir das Ergebnis richtig einzuordnen: Wir haben unsere Umsatzrendite auf 0,7 Prozent erhöht. Damit sind wir unserem Ziel von einem Prozent Umsatzrendite zwar nähergekommen, erreicht haben wir es aber noch nicht. Gleichzeitig konnten wir unser Eigenkapital auf rund 630 Millionen Euro ausbauen.“
Das Umsatzwachstum verteilte sich 2022 auf alle fünf Sparten des Konzerns. Den größten Sprung gab es im Segment „Energie“: Der Umsatz stieg preis- und mengenbedingt vor allem bei Brenn- und Kraftstoffen von 988 Millionen Euro auf 1,7 Milliarden Euro (plus 70,5 Prozent).
Um 29 Prozent stieg der Umsatz im Bereich „Agrar Landwirtschaft“. Im Direktgeschäft mit der Landwirtschaft erzielten die Agravis Ost-Gesellschaften sowie die Agrarzentren in Mitte-West rund 2,8 Milliarden Euro (Vorjahr: 2,2 Milliarden Euro). Als Grund für das Plus nannte der Vorstand ebenfalls die den lang anhaltenden Preisanstieg bei Getreide, Betriebsmitteln und Energie.
Im Bereich „Agrar Großhandel“, also Pflanzenbau, Agrarerzeugnisse (Großhandel mit Getreide und Ölsaaten) sowie Tierfutter, stieg der Umsatz preisbedingt um 25,1 Prozent auf rund 3,4 Milliarden Euro (Vorjahr: 2,7 Milliarden Euro).
Zugelegt haben im vergangenen Geschäftsjahr auch die Zahlen im Segment „Technik“. Agravis erzielte dort einen Umsatz von rund 1,1 Milliarden Euro (plus 15,2 Prozent, Vorjahr: 987 Millionen Euro). Damit überschritt das Unternehmen erstmals die Eine-Milliarde-Euro-Marke in diesem Geschäftsbereich. Das Plus begründete Agravis vor allem mit der hohen Investitionsbereitschaft in Neumaschinen und ebenfalls mit Preisanstiegen bei den Gebrauchtmaschinen infolge eines geringeren Angebots.
Darüber hinaus entwickelte sich auch der Bereich „Märkte“ positiv – wenn auch mit einem vergleichsweise kleineren Umsatzplus: Der Wert stieg von 336 Millionen Euro auf 348 Millionen Euro (plus 3,6 Prozent). „In diesem Segment war das schwierige Marktumfeld mit Kaufzurückhaltung bei den Verbrauchern insbesondere bei hochpreisigen Gütern und den historischen Engpässen bei der Warenversorgung im Geschäftsjahr 2022 spürbar“, erläuterte Hesseler.
Für 2023 geht Agravis – vor allem im ersten Halbjahr – von in vielen Bereichen fallenden Preisen aus, allerdings auf hohem Niveau. Deshalb plane das Unternehmen konservativ, wie Finanzvorstand Hesseler erklärte: „Wir investieren weiter in unsere Infrastruktur – auch 2023 wieder über 55 Millionen Euro. Das Eigenkapital wollen wir möglichst auf 655 Millionen Euro ausbauen. Bei einem Umsatz von 8,5 Milliarden Euro gehen wir 2023 von einem Ergebnis vor Steuern von 45,1 Millionen Euro. aus. Die Werte zeigen, dass sich die Märkte auf hohem Niveau ein Stück weit normalisieren könnten.“ Das hänge aber maßgeblich auch vom weiteren Kriegsgeschehen ab sowie den damit verbundenen Begleiterscheinungen wie Inflation, Ausgabenzurückhaltung der privaten Haushalte, Energiepreisdeckel und vieles mehr. „Deshalb unterstreichen wir sehr deutlich, dass für uns der Frieden in Europa wichtig ist. Wir brauchen Frieden vor allem für die Menschen in der Ukraine und in Russland, aber auch für die Märkte und unsere Wirtschaft hierzulande“, betonte der Vorstandsvorsitzende Köckler.
2023 zeige sich schon jetzt viel volatiler. „Ablesbar ist das am Preisrückgang bei Getreide, Raps, Düngemitteln und Energie sowie der aktuellen, wesentlich entspannteren Verfügbarkeit von Frachtraum. Aber mögliche weitere Kriegsauswirkungen, die heute noch niemand kennt, oder plötzliche Wetterextreme wie eine Vorsommertrockenheit können dies schnell wieder umkehren“, warnte Köckler.