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Marken und Macher 2021

"Das Marketing-Potenzial wird unterschätzt"

Interview mit Dr. Daniel Schultewolter

Dr. Daniel Schultewolter

Was macht eine starke Marke aus? Warum gibt es in unserer Region im Vergleich zu den vielen starken Macherinnen und Macher nur so wenig starke Marken? Antworten auf diese und andere Fragen gibt Dr. Daniel Schultewolter, der im April 2021 die Geschäftsführung der WFG für den Kreis Borken übernommen hat. 

 

Herr Dr. Schultewolter, gibt es eine Marke, die Sie in Ihrem Leben besonders eng begleitet?
Eine Marke, die mich besonders eng begleitet hätte, gibt es eigentlich nicht. Ich wurde, im Rückblick gesehen, bereits recht früh dazu erzogen, nicht auf Marken, sondern auf Qualität und das Preis-Leistungs-Verhältnis Wert zu legen. Da fällt mir ein: Volvo begleitet mich mein Leben lang …

 

Warum Volvo?
Da hatte mein Vater seine Finger im Spiel: Seit ich denken kann, stand zuhause nie ein anderes Fabrikat in der Garage. Erst seitdem ich mein erstes eigenes Auto fahre, waren auch andere Hersteller dabei.

 

Was muss eine gute Marke aus Ihrer Sicht leisten?
Sie muss authentisch sein. Sie muss also erstens halten, was sie verspricht, und zweitens müssen die Werte, die eine Marke transportiert, mit den eigenen Werten übereinstimmen. Nur so können Identifikation und Vertrauen zu einer Marke aufgebaut werden. Für mich sind aber die Qualität und das Preis-Leistungs-Verhältnis nach wie vor wichtige Faktoren. Ein hoher Preis ist kein Qualitätskriterium und auch nicht immer ein Indikator für hohe Qualität.

 

Sie sind seit April dieses Jahres Geschäftsführer der WFG für den Kreis Borken. Was haben Sie in dieser Zeit neu über die Marken und Macher – und natürlich auch Macherinnen – in unserer Region gelernt?
Dass für viele die Qualität über allem steht. Viele Hersteller definieren sich selbst, ihr Unternehmen und das Produkt über die Zuverlässigkeit – die eigene und die des Produkts. Damit heben sich viele Marken und Macher – und Macherinnen – von der Konkurrenz ab, besonders von billigerer Konkurrenz. Gelernt habe ich aber auch, dass das für einzelne Geschäftsmodelle durchaus nachteilig sein kann. Zum Beispiel im Investitionsgütersektor können die Produktlebenszyklen im Vergleich zu Konkurrenzprodukten enorm lang sein. Die Ersatzinvestitionen sind dann eher gering.

 

Warum gibt es bei uns überhaupt so viele gute Unternehmensmodelle und so viele starke Macherinnen und Macher?
Das ist eine schwierig zu beantwortende Frage, die mir seit meinem Antritt in der WFG schon oft gestellt wurde. Und die eine Antwort darauf gibt es wohl nicht. Ich glaube, dass es eine Mischung aus verschiedenen Faktoren ist. Dazu gehört sicherlich die münsterländische Mentalität, die ihre historischen Wurzeln in der Landwirtschaft hat. Sie zeichnen Fleiß, Verlässlichkeit, Verbindlichkeit und Bodenständigkeit aus. Daneben spielt die kleinteilige Wirtschaftsstruktur eine Rolle, die auch zur Folge hat, dass neue Unternehmen Spielraum zur Entwicklung und Entfaltung finden. Zudem stimmen bei uns inzwischen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, was ja auch nicht immer so war.

 

Obwohl in unserer Region viele starke Macherinnen und Macher am Werk sind, hapert es hier und da noch an der Markenbildung. Woran liegt das?
Auch das ist nicht leicht zu beantworten. Ich könnte mir aber vorstellen, dass auch das hier und da mit der Mentalität, der Bodenständigkeit zu tun hat. Man spielt mit den eigenen Produkten in der Bundesliga, die Bewertung überlässt man aber lieber anderen. Mit den eigenen Leistungen zu sehr hausieren zu gehen, wird dagegen nicht honoriert, da bleibt man lieber auf dem Teppich. Dazu kommt aber auch, dass große Teile der Wirtschaft im Kreis Borken im B2B-Bereich aktiv sind, wo eine Markenbildung ungleich schwieriger ist als im B2C-Bereich. Insgesamt wird das Marketing-Potenzial aber noch unterschätzt.

 

Stichwort unterschätzt: Warum ist es wichtig, dass Unternehmen auch an ihrer Marke arbeiten?
Weil es Marktzugänge öffnet, festigt und erweitert, und zwar nicht nur für direkte Kundenbeziehungen, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt. Unternehmen, die erfolgreich in ihre Markenbildung investiert haben, fällt es deutlich leichter, Fachkräfte oder Auszubildende zu rekrutieren und auch zu halten. Eine gute Marke strahlt ja nicht nur nach außen, sondern auch in das Unternehmen hinein und kann die Unternehmenskultur positiv beeinflussen. Das kann wiederum vielfältige positive Rückkopplungen bewirken.

 

Man hört immer wieder von Unternehmen, die sich im Kampf um die besten Köpfe nicht durchsetzen können, weil andere sich einfach besser positionieren. Können sich die Unternehmen die Zurückhaltung, für die unsere Region bekannt ist, überhaupt noch leisten?
Sie sind jedenfalls gut beraten, sich nicht zurückzuhalten. Viele haben aber bereits den Handlungsbedarf erkannt, spätestens seitdem der Fachkräftemangel spürbar durchschlägt. Über 400 teilnehmende Unternehmen bei der „Nacht der Ausbildung“ sprechen für sich. Wir werden im kommenden Jahr, gemeinsam mit dem Unternehmensverband AIW, zudem ein entsprechendes Veranstaltungsformat auflegen, mit dem wir für das Thema sensibilisieren wollen. Wir wollen die Bedeutung des Themas herausstellen und aufzeigen, wie sich kleine und mittelständische Unternehmen dem Thema nähern können. Dabei sollen Praxisbeispiele und mögliche Handlungsoptionen im Mittelpunkt stehen.

Was würden Sie Unternehmen denn raten, die mit der Markenbildung beginnen wollen?
Damit ein Markenbildungsprozess erfolgreich sein kann, muss die Marke die Werte und die Identität des Unternehmens glaubwürdig widerspiegeln, eben authentisch sein. Bezogen auf das Fachkräftebeispiel: Eine Stärkung der Bindung von Fachkräften an das Unternehmen wird nicht gelingen, wenn die Markenstrategie nicht mit den tatsächlich gelebten Werten, mit der Unternehmenskultur übereinstimmt. Am Anfang sollten also der Kern des Unternehmens und seiner Kultur herausgearbeitet werden. Hier kann es sinnvoll sein, externe, neutrale Beratung hinzuzuziehen und die Arbeitnehmer zu beteiligen. Alle weiteren Schritte sollten dann auf diesem Kern aufbauen.

 

Angesichts des Fachkräftemangels ist auch das regionale Umfeld ein relevanter Faktor. Als Wirtschaftsförderer sind Sie immer mal wieder bei Terminen auf Bundes- und Landesebene im Einsatz. Wie nehmen Sie bei Ihren Gesprächen dort das Image unserer Region wahr?
Auf Landesebene sind wir inzwischen einen großen Schritt vorangekommen. In den 1980er und 1990er Jahren stand zum Beispiel der Kreis Borken ja noch in allen einschlägigen NRW-Statistiken auf dem letzten oder zumindest einem der hinteren Plätze. Das hat sich in nur 30 Jahren vollständig geändert. Und diese Erfolgsgeschichte ist im Land angekommen. Das Westmünsterland ist heute als wirtschaftliche Vorbildregion und als lebenswerte Region bekannt. Auf Bundesebene dagegen fliegen wir immer noch etwas unter dem Radar. Beim Bekanntheitsgrad hat das gesamte Münsterland noch Luft nach oben.

 

Wie kann Abhilfe geschaffen werden?
Natürlich erzählen wir unsere Geschichte von dem erfolgreichen Strukturwandel, der für andere Regionen, die aktuell vor ähnlichen Problemen stehen, als Beispiel dienen kann. Mittelständisch geprägte Vorzeigeregionen verortet man aber zuallererst in Baden-Württemberg, auch wenn wir in vielen Bereichen längst mithalten können. Das muss auch bundesweit noch bekannter gemacht werden. Der Markenbildungsprozess des Münsterland e. V. soll auf dieses Ziel einzahlen.

 

Herr Dr. Schultewolter, zum Einstieg in das Interview haben wir Sie nach einer Marke gefragt, die Sie begleitet. Zum Ende des Interviews würde uns noch interessieren, ob es vielleicht auch eine besondere Macherin oder einen Macher gibt, die oder den Sie besonders bewundern?
In den vergangenen Monaten konnte ich viele beeindruckende individuelle Unternehmensgeschichten kennenlernen. Viele
dieser Macherinnen und Macher haben heute international tätige und erfolgreiche Unternehmen aufgebaut, unsere zahlreichen Hidden Champions – praktisch aus dem Nichts. Und es würde vielen nicht gerecht, wenn ich nur einige aufzählen würde. Einen echten Macher, den ich aber herausheben möchte, ist Dr. Heiner Kleinschneider, mein Vorgänger bei der WFG. Er hat die WFG über 30 Jahre lang geleitet und zu einer Wirtschaftsförderung geformt, die bundesweit Vorbildcharakter hat. Nicht umsonst wurde sie 2018 mit dem Großen Preis des Mittelstands ausgezeichnet. Das hat Respekt und Anerkennung verdient, Chapeau!

 

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