Mit der Arbeitgebermarke überzeugen

„Eine gute Arbeitgeberkommunikation kann den Fachkräftemangel zwar nicht beseitigen, aber sie kann sehr wohl dazu beitragen, dass Sie die Aufmerksamkeit der richtigen Kandidatinnen und Kandidaten bekommen.“ Das betont Professor Dr. Markus Kiefer, der Unternehmens- und Marketingkommunikation unter anderem an der FOM – Hochschule für Oekonomie und Management lehrt. In seiner Kolumne für Wirtschaft aktuell stellt er dieses Mal heraus, welche Rolle die Arbeitgeberkommunikation bei der Fachkräftesuche spielt und wie sich Mitarbeitende als Kommunikatoren dabei einbeziehen lassen.

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Der allenthalben schmerzlich spürbare Fachkräftemangel zwingt viele Unternehmen und Organisationen geradezu auf, in den „War for Talents“ massiver zu investieren als sie sich das vor einigen Jahren noch vorgestellt haben. Bei Unternehmerinnen und Unternehmern hat sich das nüchterne Bewusstsein eingestellt, dass sie sich nicht mehr darauf verlassen können, von Bewerberinnen und Bewerbern gefunden zu werden. Vielmehr sind die Unternehmen selbst gefordert, ideenreich, aktiv und initiativ zu sein. Sie müssen sich werbend und aufsuchend verhalten, wenn sie die qualifiziertesten Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt nicht der Konkurrenz überlassen wollen.
Nun mag sich mancher Unternehmende und Personalverantwortliche denken: Das machen wir doch! Zum Beispiel mit einem Tag der offenen Tür, der Teilnahme an Messen etc., also Veranstaltungen, bei denen das Unternehmen aktiv, sichtbar und ansprechbar ist.
Aber was ist, wenn sich die potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten schon vorher ein Bild von Ihrem Unternehmen gemacht haben? Auf Basis der Spuren, die sie in der Öffentlichkeit, online oder auf Social Media von Ihnen gefunden haben (oder eben auch nicht). Was ist, wenn sie schon aufgrund dieses Eindrucks entschieden haben, zwar zu einer Messe zu gehen, an der Sie auch teilnehmen, und dabei alle möglichen Gespräche zu führen – nur eben nicht mit Ihnen an Ihrem Stand?
Wenn Unternehmen heute die wenigen, für sie überhaupt in Frage kommenden Fachkräfte für sich gewinnen wollen, wird das ohne eine Neuaufstellung der Kommunikation kaum möglich sein. Eine gute Arbeitgeberkommunikation kann den Fachkräftemangel zwar nicht beseitigen, aber sie kann sehr wohl dazu beitragen, dass Sie die Aufmerksamkeit der richtigen Kandidatinnen und Kandidaten bekommen – und diese dann in Ihre engere Wahl kommen.
Dazu eignen sich vor allem zwei Ansätze. Erstens: die Pflege einer markanten Arbeitgebermarke. Zweitens: der Einbezug ihrer Belegschaft in das Werben um passende Neuzugänge. Zu beiden Faktoren jeweils drei Gedanken.
 

ARBEITGEBERMARKE

  1. Viele Unternehmen kennen den Unterschied zwischen einer Unternehmensmarke und einer Employer Brand, also einer Arbeitgebermarke, überhaupt nicht. Oder aber sie denken: Meine Unternehmensmarke ist aussagekräftig genug. Das mag zwar für den einen oder anderen Monopolisten oder Hidden Champion durchaus richtig und ausreichend sein. Für die meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen aber nicht. Vor allem für diejenigen nicht, deren Unternehmensmarke vor langer Zeit entwickelt wurde, mit Blick auf ganz bestimmte Stakeholder oder mit 360-Grad-Stakeholder-Perspektive. Aber eine Arbeitgebermarke ist etwas anderes: Sie nimmt die Bedürfnisse, Interessen und Tonalität der jungen Generation in den Blick. Und sie kommuniziert in Stil, Text und Bild auch anders als eine konventionelle Unternehmensmarke.
  2. Eine interessante Employer Brand kommuniziert die Unternehmenskultur und somit die zentralen Unternehmenswerte auf eine möglichst unverwechselbare Art. Zu vermeiden ist das, was ich die „Jedermanns-Falle“ der Unternehmensmarkenkommunikation nenne. Also das Verwenden derjenigen Werte, die schon alle anderen für sich reklamieren, wie beispielsweise Fairness, Respekt, Kundenorientierung. Wenn Sie das auch tun, macht es keinen Unterschied. Aber wenn Sie schon diese inflationär reklamierten Werte kommunizieren, dann in Bildern, Filmen und Geschichten, die den reklamierten Wert bildhaft, glaubhaft und begeisternd rüberbringen. Vergessen Sie nie: Sie sprechen die Generation Netflix, Instagram, TikTok und Snapchat an. Und das muss man Ihrer Website und Ihrer Employer Brand-Landing Page ansehen können. Dasselbe gilt für die Kommunikation des Bewerber-Typus: Suchen Sie nicht nach Karl Meier, der eierlegenden Wollmilchsau. Es gibt ihn sowieso nicht. Entwerfen Sie Personas mit Ecken und Kanten sowie scharfen Persönlichkeitszügen. Sie müssen und Sie sollten nicht jedem gefallen. Wenn Sie so kommunizieren, sind Sie ganz sicher nicht interessant genug für zu Ihnen passende Kandidaten. 
  3. Betrachten Sie Ihre Einträge in den Bewertungsportalen wie Kununu oder Glassdoor nicht als Kleinigkeiten. Ihre potenziellen Bewerber haben dort schon genau nachgesehen. Und das mag schon als Grund reichen, um um Ihren Messestand einen großen Bogen zu machen. Beachten Sie die Einträge dort und kommunizieren Sie Ihre Antworten regelmäßig aktiv und sensibel.

 

EINBINDUNG DER MITARBEITENDEN IN DIE ARBEITGEBERMARKE 

  1. Eine moderne Arbeitgeberkommunikation bezieht ihre Belegschaft in den „War for Talents“ ein. Clevere Unternehmen greifen dabei auf kommunikationsstarke Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurück. Diejenigen, die Social-Media-Affinität haben. Der Aufbau und die Qualifikation zu einer Markenbotschafterin oder einem Markenbotschafter des Unternehmens, der in gewissem Maße selbstständig kommunizieren darf, ist ein vielfach bewährter Weg.
  2. In besonders fortschrittlichen Unternehmen werden solche Markenbotschafter oder auch Unternehmens-Influencer sogar in den Bewerbungsprozess eingebunden. Diese Unternehmen lassen zu, dass der Erstkontakt eines Interessenten gar nicht bei der Personalabteilung landen muss, sondern bei ihren Markenbotschaftern starten darf.
  3. Ein solcher Prozess setzt natürlich besonderes Vertrauen in die einbezogenen Mitarbeitenden voraus. Sie müssen Selbstvertrauen in die eigene Kommunikationsstärke haben, aber auch wissen, wann der Zeitpunkt erreicht ist, dass sie den zuständigen Personaler über den potenzielle Kandidaten informieren. Das können vermutlich nur Ihre besten Leute sein. Und genau diese werden die Richtigen sein, um andere für Sie zu überzeugen, für Sie zu gewinnen. Es sind Ihre Besten, das sollten Sie nie vergessen. Und darum, machen Sie sich nicht zuletzt Gedanken um die Frequenz und Struktur Ihrer (regelmäßigen) Mitarbeitergespräche mit ihren Top-Kräften.
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