New Work in der Praxis | So kann‘s gehen

New Work ist schon lange nicht mehr nur bloße Theorie. In immer mehr Bereichen verändert die neue Art zu arbeiten den Alltag. In der Praxis gibt es dafür verschiedene Ansatzpunkte, hier einige Beispiele.

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Purpose
Eine nach außen besonders sichtbare Facette der neuen Arbeitswelt ist die stärkere Fokussierung auf den sogenannten Purpose, also den höheren Zweck, dem ein Unternehmen – und damit auch seine Mitarbeitenden – dient. Immer mehr Unternehmen dokumentieren und kommunizieren – zum Teil mit erheblichem Aufwand – die freiwilligen ökologischen und sozialen Mehrwerte, die sie schaffen. „Corporate Social Responsibility“ (gesellschaftliche Unternehmensverantwortung, kurz CSR) ist in aller Munde. Das fängt bei der Pressemeldung zur neuen PV-Anlage oder zu den Elektrofahrzeugen im Fuhrpark an und es endet bei zum Teil sehr aufwendigen Nachhaltigkeits- und CSR-Berichten. Das Ziel ist immer dasselbe: Die Unternehmen wollen dokumentieren, dass sie ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden. Wichtige Zielgruppen sind die eigenen Mitarbeitenden und potenzielle Bewerber, denen dieser sogenannte Purpose wichtig ist. 

Agile Arbeit
Ein zentrales Element der New Work-Philosophie ist die Agilität. Dahinter steckt der Wunsch, besser auf Anforderungen des Unternehmens und auch der Mitarbeitenden eingehen zu können. Agile Arbeitskonzepte setzen auf ein Höchstmaß an Flexibilität und auf eine Form der Zusammenarbeit, bei der die Fähigkeiten der Mitarbeitenden optimal zur Geltung kommen. Projekte werden nicht im althergebrachten „Wasserfallprinzip“ – also geplant, entwickelt und abgeschlossen – bearbeitet, sondern in immer wiederkehrenden Schleifen neu auf den Prüfstand gestellt und verbessert. Fachleute sprechen von „iterativer“ Projektentwicklung. Statt sich sklavisch von Anfang bis Ende an detaillierte Projektpläne zu halten, setzt die agile Arbeitsweise auf immer neue Entwicklungszy­klen, schnelle Entscheidungen und ständige Verbesserung.

Unternehmen, die diesen Weg gehen, sind – so der Tenor der New-Worker – besser in der Lage, Produkte und Dienstleistungen wettbewerbsfähig zu halten. Sie erkennen frühzeitig, was funkti­oniert und was nicht. Ansätze oder Projekte, die nicht funktionieren, fallen weg und Dinge, die gut funktionieren, werden permanent weiterentwickelt. 

Ein weiteres Erfolgsrezept der agilen Arbeit ist die flexible Teamarbeit. Wobei die Zusammenstellung der Teams im besten Fall keine Frage der Abteilung, sondern der individuellen Talente und Fähigkeiten ist. Die Gruppen selbst haben dann bei der Umsetzung der Projekte maximalen Spielraum. Sie dürfen und sollen sich selbst organisieren und die notwendigen Schritte eigenverantwortlich planen und umsetzen. Statt strenger Vorgaben und Kontrolle will New Work alle Teammitglieder ermutigen, eigenständig Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Unternehmen, die diesen Weg eingeschlagen haben, berichten von höherer Produktivität und von einer insgesamt deutlich höheren Zufriedenheit innerhalb der beteiligten Teams. Der einkalkulierte Mehrwert für die Unternehmen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind motivierter und sie identifizieren sich stärker mit dem, was sie tun.  

Gut für alle Neu-New-Worker: Unternehmen, die agile Arbeit einführen wollen, müssen heute nicht mehr bei null anfangen. Im Laufe der vergangenen Jahre haben sich verschiedene agile Methoden wie zum Beispiel Scrum oder Kanban bewährt und es gibt zahlreiche digitale Angebote, die die Einführung und Umsetzung solcher Methoden deutlich erleichtern. 

Flexible Arbeitsstrukturen
Ein weiteres wichtiges Ziel von New Work ist es, starre Arbeitsstrukturen aufzulösen und Raum für flexible Arbeitsmodelle zu schaffen. Statt an feste Bürozeiten und Orte gebunden zu sein, sollen die Mitarbeitenden ihre Arbeit nach ihren individuellen Bedürfnissen gestalten dürfen. Gerade im Zuge der Corona-Pandemie hat sich auf diesem Feld einiges getan. Homeoffice oder Coworking gehören für viele Unternehmen seither zum Standard. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fordern diese Flexibilität in Zeiten des Fachkräftemangels aber auch zunehmend ein, weil sie ihre Arbeit so besser mit ihrem Privatleben in Einklang bringen können. Auch dieser New Work-Ansatz steigert somit die Zufriedenheit und Motivation in den Belegschaften und schafft damit ebenfalls Mehrwerte für das Unternehmen selbst. 

Das Büro
Besonders sichtbar wird New Work seit mehreren Jahren landauf, landab in den Büros. Immer mehr Unternehmen rücken von den traditionellen Büromodellen ab und schaffen „moderne Bürowelten“, mit denen sie gezielt die Belange der agilen Arbeit und die Anforderungen ihrer Mitarbeitenden unter einen Hut bringen wollen. New Work-Büros sind in der Regel sehr offen gestaltet. Großzügige Kollaborationsflächen sollen die Mitarbeitenden – gern auch über Team- und Abteilungsgrenzen hinweg – zusammenzubringen und die Kommunikation insgesamt fördern. Kleinteilige Büroeinheiten gibt es in der neuen Arbeitswelt kaum noch. Selbst viele Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer verzichten mittlerweile auf ihr eigenes Büro und fügen sich in die offene Bürowelt und die dazugehörigen Teams ein. Für die konzentrierte Einzel- oder Kleingruppenarbeit, aber auch für Personalgespräche und vergleichbare Termine halten die modernen Bürowelten verschiedene Rückzugsmöglichkeiten bereit, die je nach Anforderung des Unternehmens flexibel gestaltbar sind. Vom schall- und wahlweise auch blickdichten Glaskasten bis hin zu eigens gestalteten Alkoven oder Nischen, in denen man sich zurückziehen kann, bietet der Markt für moderne Büroausstattung dafür heute verschiedene Möglichkeiten. 

Passend zur New Work-Philosophie spielt Flexibilität bei all dem eine große Rolle. Ziel ist es, den vorhandenen Raum, möglichst effektiv und nachhaltig zu nutzen. Auch auf diese Anforderung haben sich Innenarchitekten und Büroausstattungsunternehmen eingestellt, indem sie zum Beispiel Wand- und Trennelemente verwenden, die vergleichsweise leicht ab- und aufbaubar sind. Verändern sich die Anforderungen, muss ein Unternehmen also nie lange in den alten Strukturen verharren. 

Auf die Frage, wie das perfekte moderne Büro heute im Einzelfall aussehen sollte, gibt es naturgemäß keine einheitliche Antwort. Unternehmen, die diese Antwort für sich finden wollen, sollten – passend zum New Work-Ansatz – die konkreten Anforderungen ihrer Teams in den Fokus rücken. Die Frage muss lauten: „Was wünschen sich meine Mitarbeitenden, um wirklich optimal arbeiten zu können?“ Und die Antwort darauf können die Mitarbeitenden selbst in der Regel am besten geben. Das ist einer der Gründe, warum die meisten professionellen Büroeinrichter die Teams aktiv in ihre Planung einbeziehen. Der zweite wichtige Faktor ist, dass die tiefgreifenden Veränderungen, die mit dem neuen Büroumfeld einhergehen, Ängste und Unsicherheiten auslösen. Wer dem entgegenwirken will und wer möchte, dass die moderne Bürowelt auch wirklich im Sinne des New Work-Ansatzes genutzt wird, muss offen mit den Kolleginnen und Kollegen sprechen. Ängste müssen gezielt abgebaut und Mehrwerte genau erklärt werden. 

Sichtbarer Beleg für den immer stärkeren Fokus auf die Belange der Mitarbeitenden sind in vielen modernen Büros die Bereiche, in denen die Kolleginnen und Kollegen auch mal spontan bei einer Tasse Kaffee zusammenkommen, um sich operativ oder auch privat, auszutauschen. Die pragmatisch eingerichtete Teeküche hat dabei längst ausgedient. An ihre Stelle treten unter anderem Lounge-Bereiche, attraktiv gestaltete Außenanlagen oder Gastro-Ecken, die mit gemütlichen Möbeln gezielt zum Verweilen einladen. 

Wie weit ein Unternehmen in die moderne Bürowelt eintauchen will, hängt aber natürlich nicht nur von den Anforderungen der Mitarbeitenden, sondern auch von den individuellen finanziellen und räumlichen Möglichkeiten ab. Dennoch tun auch Unternehmen mit kleinem Budget gut daran, ihre Mitarbeitenden zu befragen, um dann die Flächen mit den vorhandenen Möbeln und Möglichkeiten optimaler aufzustellen und so einen ersten Schritt in die neue Richtung zu machen. Experten sind sich einig: New Work ist keine Frage der Kosten, sondern der Einstellung, und eine Kultur des offenen Austausches und der Gemütlichkeit hängt nicht nur vom Portemonnaie ab.  

Die Vier-Tage-Woche
Einer der prominentesten New Work-Ansätze ist aktuell die Vier-Tage-Woche. Indem Unternehmen die Arbeitszeit um einen Tag verkürzen, geben sie ihren Mitarbeitenden mehr Raum für ihre Freizeit und die private Entfaltung. Sie lösen also bestehende Strukturen auf, um – so der Gedanke dahinter – einen Vorteil für beide Seiten herauszuschlagen. Ob und wie das funktioniert, ist allerdings durchaus umstritten. 

Der weltweit größte Versuch zum Thema fand vor einigen Monaten in Großbritannien statt und die Ergebnisse legen nahe, dass die Rechnung zumindest in einigen Bereichen aufgehen kann: Die meisten der 61 Unternehmen, die an dem Versuch teilgenommen hatten, konnten die Produktivität steigern oder auf gleichem Niveau halten. Fehltage gingen deutlich zurück und insgesamt bemerkten die Unternehmen in ihren Belegschaften eine deutliche höhere Motivation und Zufriedenheit. 56 der 61 Unternehmen, die an dem Versuch teilgenommen haben, haben daher auch angekündigt, die Vier-Tage-Woche beizubehalten. 

Gleichzeitig gibt es nach wie vor viele skeptische Stimmen. Kritiker warnen vor dem zusätzlichen Druck und Stress, der durch die verkürzte Arbeitszeit entsteht. Zudem belegen Studien, dass überlange Arbeitstage zu einem erhöhten Risiko für Arbeitsunfälle führen. Darüber hinaus gehen die Gegner des Ansatzes davon aus, dass auch das Risiko für Berufserkrankungen durch die intensivere Belastung in der insgesamt geringeren Arbeitszeit steigt. 

Klar ist auch, dass die Vier-Tage-Woche nicht zu jedem Unternehmen und jeder Branche passt. Mit Blick auf die New Work-Philosophie ist das aber auch nicht entscheidend. New Work ist nicht an einzelne Maßnahmen gebunden. Die Unternehmen sollten vielmehr gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden schauen, wie die individuellen Arbeitsstrukturen im Sinne aller Beteiligten aufgebrochen werden kann. Ob das über Homeoffice, Vier-Tage-Woche oder über einen individuell angepassten Arbeitsprozess gelingt, ist dafür nicht entscheidend.

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