Bonuszahlungen | Arbeitgeber ist schadensersatzpflichtig

Um Führungskräfte zu motivieren, die Unternehmensziele zu erreichen, können Arbeitgeber Bonuszahlungen als „Belohnung“ und wirksames Instrument nutzen. Doch dabei drohen Fallstricke, wie ein jetzt in letzter Instanz entschiedener Fall zeigt. Das erläutert Steuerberater und Rechtsanwalt Berthold Brombach von der Heisterborg Steuerberatungsgesellschaft in Stadtlohn für Wirtschaft aktuell.

Grafik: Nadine Tenhaken

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Der Arbeitgeber muss es der Führungskraft zeitlich möglich machen, die von ihm vorgegebenen Ziele zu erreichen. Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitsvertrag eine variable Vergütung in Gestalt eines Bonus regelt. Der Bonus wird dann ausgezahlt, wenn der Arbeitnehmer die ihm gesteckten Ziele erreicht. Die Ziele gibt der Arbeitgeber vor. Macht er das zu spät, kann der Bonus nicht mehr seine wichtigste Funktion entfalten – einen Anreiz vermitteln und so motivieren. Die Folge: Der Arbeitgeber muss als Schadensersatz den vollen Bonus zahlen. Das wurde nun höchstrichterlich entscheiden und ergibt sich aus einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Az. 10 AZR 57/24 vom 19. Februar 2025). 

Rechtlicher Hintergrund

Viele Arbeitsverträge enthalten Zielvereinbarungen oder Zielvorgaben, die durch den Mitarbeiter innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erreichen sind. Das gilt insbesondere für leitende Mitarbeiter. 

Bei einer Zielvereinbarung einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam auf Art, Gewichtung, Umfang oder Zeitpunkt der Ziele, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erreichen sind. Im Gegensatz zu solchen Zielvereinbarungen trifft die Zielvorgaben allein der Arbeitgeber. Dazu ist ihm ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt. Das macht den Unterschied aus: Denn bei einer Zielvorgabe ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer mitwirkt.  

Das Bundesarbeitsgericht hat über eine Vertragsklausel entschieden, in der es um eine arbeitsvertragliche Pflicht zur einseitigen Zielvorgabe durch den Arbeitgeber ging.  

Der Fall

Ein Angestellter arbeitete als „Head of Advertising“ bei einem Unternehmen, das Führungskräften eine erfolgsabhängige Vergütung zahlt. Darüber bestand eine arbeitsvertragliche Vereinbarung. Diese hing von den Zielvorgaben des Unternehmens und vom Grad der Zielerreichung durch den Arbeitnehmer ab. Zielerreichungsperiode war das Geschäftsjahr, das dem Kalenderjahr 2019 entsprach. Eine ausgestaltende Betriebsvereinbarung knüpfte die Höhe der Bonuszahlungen an das Erreichen von Zielen – diese hatte der Arbeitgeber den Mitarbeitern jeweils bis zum 1. März vorzugeben. Dabei ging es sowohl um Unternehmensziele als auch um individuelle Ziele.  

Das Unternehmen teilte dem Arbeitnehmer die Jahresziele weder bis zum 1. März 2019 noch in den folgenden Monaten mit. In einer Rund-E-Mail vom 26. September 2019 entschuldigte sich der Geschäftsführer bei den Mitarbeitern für die Verzögerung. Er teilte mit, dass man die individuellen Ziele für 2019 entsprechend der durchschnittlichen Zielerreichung der Führungskräfte in den vergangenen Jahren mit einem Zielerreichungsgrad von 142 Prozent bewerten wolle. In einem Meeting am 15. Oktober 2019 benannte die Leitung schließlich konkrete Zahlen zu den Unternehmenszielen.  

Der Arbeitnehmer kündigte sein Arbeitsverhältnis zu Ende November 2019. Später verklagte er das Unternehmen. Er hatte zwar eine variable Vergütung von 15.586,55 Euro brutto erhalten, doch verlangte er weitere 16.035,94 Euro brutto als Schadensersatz. Diesen Betrag berechnete er auf der Grundlage eines 100-prozentigen Erreichens der Unternehmensziele. Vor dem Arbeitsgericht Köln hatte er keinen Erfolg. Dagegen gab das Landesarbeitsgericht Köln dem Arbeitnehmer Recht und das Bundesarbeitsgericht bestätigte dieses Urteil.  

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht wies die Revision des Arbeitgebers zurück. Der Arbeitgeber habe seine Pflichten zu einer in einer gestaltenden Betriebsvereinbarung geregelten Zielvorgabe für das Jahr 2019 schuldhaft verletzt: Er habe dem Arbeitnehmer keine individuellen Ziele vorgegeben und habe ihm die Unternehmensziele erst verbindlich mitgeteilt, nachdem bereits etwa drei Viertel des Geschäftsjahres abgelaufen war.  

Der Vorgabe von Zielen liege der Gedanke zu Grunde, dass diese Leistung und Motivation des Arbeitnehmers steigern. Dafür müsse der Arbeitnehmer schon bei Ausübung seiner Tätigkeit Kenntnis von den maßgeblichen Zielen haben. Infolge einer zu späten Zielvorgabe könne sich dieser Anreiz nicht mehr sinnvoll entfalten – dem Arbeitnehmer bleibe kein ausreichender Zeitraum mehr, um effektiv auf das Erfüllen der vorgegebenen Ziele hinzuarbeiten. Wenn sich in zeitlicher Hinsicht keine hinreichende Leistungs- und Motivationssteigerung beim Arbeitnehmer mehr erreichen lasse, dann sei die Vorgabe von Zielen „sinnentleert“.  

Ferner stellte das Gericht fest: Wenn der Arbeitgeber die Ziele durch eine Zielvorgabe vorzugeben hat, bedürfe es grundsätzlich keiner Mitwirkung des Arbeitnehmers. Gebe der Arbeitgeber keine Ziele vor, so müsse der Arbeitnehmer den Arbeitgeber nicht dazu auffordern. 

Nach dieser höchstrichterlichen Entscheidung besteht jedenfalls nach Ablauf von mehr als drei Vierteln des Geschäftsjahres keine Möglichkeit mehr, dass sich die Anreizfunktion noch sinnvoll erfüllen lässt. Davon wird in der juristischen Literatur bereits nach Ablauf von mehr als der Hälfte des vereinbarten Zeitraums ausgegangen. 

Fazit

Arbeitgeber müssen bei der Vereinbarung von Bonussystemen Vor- und Nachteile gut abwägen. Es ist ratsam, dass sie ihren Mitarbeitern die im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung vereinbarten Ziele möglichst frühzeitig und innerhalb der vereinbarten Frist vorgeben. Das sollten sie auch nachweisbar dokumentieren. Bei nicht erfolgter oder verspäteter Zielvorgabe setzt sich der Arbeitgeber Schadensersatzansprüchen der Mitarbeiter aus. Diese entsprechen regelmäßig dem vollen Bonus bei Annahme einer 100-prozentigen Zielerreichung, wenn der Arbeitgeber keine dem entgegenstehenden Umstände vorbringt. 

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