Aus Sicht der Unternehmensberatung
Branchenkenntnisse, ein Interesse am Produkt oder der Dienstleistung, fachliche Kompetenz – das sind die Basics, die die neue Geschäftsführung, die von außen ins Unternehmen einsteigt, mitbringen sollte. Hinzukommt bei dieser externen Lösung ein Punkt, der für die Entwicklung des Unternehmens einen richtigen Schub bringen kann: „Eine Person, die neu ins Unternehmen kommt, bringt im Idealfall auch ein eigenes Netzwerk mit wertvollen Kontakten mit. Das ermöglicht den Zugang zu neuen Märkten, Geschäftspartnern und Kunden“, erklärt Patrick Eek, Manager Mergers & Acquisitions bei der Unternehmensberatung Grafschafter Wertekontor in Nordhorn.
Knackpunkt: Wissen weitergeben
Knackpunkt ist aus Sicht des Unternehmensberaters, wie das vorhandene Wissen der abgebenden Person zur neuen Geschäftsführung weitergegeben wird. Für Eek eine Zeitfrage und abhängig davon, wie komplex Unternehmensstruktur und das Leistungs- oder Produktportfolio sind. „Hierbei gibt es keinen Standard-Ansatz. Es hängt individuell vom Nachfolger oder der Nachfolgerin und den Kapazitäten der abgebenden Person ab“, betont er. Hilfreich sei aber, wenn der bisherige Inhaber noch für einen gewissen Zeitraum als angestellte Geschäftsführung oder auf Honorarbasis den Nachfolger oder die Nachfolgerin übergangsweise begleitet und unterstützt. „So kann das Wissen peu à peu übertragen werden. Für die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer ist der Wechsel in den neuen Lebensabschnitt ohnehin sehr emotional und nicht leicht, sodass sie froh sind, wenn sie keinen harten Cut machen müssen, sondern sich schrittweise von ihren Aufgaben und ihrem Unternehmen lösen können. Das gibt ihnen auch das gute Gefühl, den Nachfolger richtig eingearbeitet zu haben“, erläutert Eek, der Zeiträume von ein bis zwei Jahren nennt. Schließlich gehe es dabei nicht nur um Fach- und Unternehmenswissen, sondern auch um zwischenmenschliche Beziehungen, wie etwa zu wichtigen Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern. „Dieses Wissen lässt sich nicht einfach aus dem Kopf schriftlich niederschreiben und übergeben. Da muss man reinwachsen“, betont Eek.
Ebenso wie in die Unternehmenskultur. Der Berater des Grafschafter Wertekontor rät, hierbei vor allem auf eine regelmäßige und einheitliche Kommunikation zu setzen. Es müsse allen im Unternehmen klar sein, dass nun beide im Übergang alle Entscheidungen für den Betrieb gemeinsam treffen, oder die neue Geschäftsführung bereits alleine verantwortlich ist. Regelmäßige Austauschrunden mit den Mitarbeitenden in leitenden Funktionen helfen dem oder der „Neuen“ außerdem, sich innerhalb des Unternehmens ein gutes Netzwerk und relevantes, internes Wissen aufzubauen.
Aus rechtlicher Perspektive
Rechtlich gesehen, ist die Übertragung eines Unternehmens an einen neuen, externen Geschäftsführer ein Unternehmensverkauf. Es wird ein Kaufpreis vereinbart – und das ist nicht selten eine heikle Angelegenheit, wie Rechtsanwältin und Notarin Dr. Marie-Sophie Söbbeke von der gleichnamigen Kanzlei in Gronau-Epe betont. Denn: „Klar ist, dass das eigene Unternehmen, das man jahrelang aufgebaut hat und in dem viel Herzblut steckt, auch immer einen großen ideellen Wert hat, den man nicht bemessen kann“, so Söbbeke.
Due Diligence
Neben dem Warenbestand fließen in die Preisfindung unter anderem bestehende Kredite ein, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückgezahlt werden müssen. Ein Kostenpunkt, der dann in den Händen des Nachfolgers liegt. All das wird bei einer rechtlichen Due Diligence – eine Analyse der wirtschaftlichen, rechtlichen, steuerlichen und finanziellen Verhältnisse eines Unternehmens – geprüft. Ein Auskunftskatalog mit 20 bis 30 Fragen ist dabei keine Seltenheit. „Das unternehmerische Risiko, das ein externer Nachfolger eingeht, ist nicht zu unterschätzen. Schließlich ist das neue Unternehmen für ihn zunächst eine Blackbox – für die er dann aber ab Tag X haftet. Insofern wäre es fahrlässig, wenn vorher keine gründliche Analyse stattfindet“, verdeutlicht Söbbeke. Dazu gehören beispielsweise Garantien, dass Sozialabgaben für die beschäftigten Mitarbeitenden ordnungsgemäß gezahlt wurden. Oder Hinweise, dass ein Produkt des Unternehmens besonders fehleranfällig ist und daher ein Risiko besteht, dass es zu Rückrufen und zu Umsatzverlusten kommen könnte. Kosten, die der neue Geschäftsführer als Erwerber des Unternehmens einplanen muss. „Die Gestaltung und Verhandlung des Haftungsausschlusses und der Garantien des Übergebers sind Kernstück des Unternehmenskaufvertrages und bedürfen sorgfältiger Prüfung“, betont Söbbeke.
Zusätzlich wird eine Marschroute festgelegt, wie der Übergang zwischen Unternehmensinhaber und Nachfolger rein praktisch vollzogen werden soll. Es geht vor allem um Wissenstransfer zu Produkten, Patenten und Geschäftsbeziehungen. „Es macht Sinn, im Unternehmenskaufvertrag festzulegen, wie lang der Altinhaber für Fragen zur Verfügung steht und ob er möglicherweise noch eine gewisse Zeit selbst in der Firma mitarbeitet, um beratend zu unterstützen“, rät die Notarin.
Aus steuerrechtlicher Perspektive
Die Übertragung eines Unternehmens an einen neuen, externen Geschäftsführer ist steuerrechtlich genauso zu bewerten, wie die Übergabe an einen Mitarbeitenden aus den eigenen Reihen (siehe Fall 2). „Aus Käufer- und Verkäufersicht ergibt sich derselbe steuerliche Sachverhalt: das Unternehmen wird an eine andere Person verkauft“, erklärt Markus Efken, Steuerberater am Meller Standort der Kanzlei Dr. Rudel, Schäfer & Partner.
Erst Geschäftsführer, dann Anteile erwerben
Einen Unterschied macht es dabei hingegen schon, wenn der externe Nachfolger vorerst „nur“ als neuer Geschäftsführer angestellt wird und erst später Anteile an dem Unternehmen erwirbt und somit zum Gesellschafter wird. „Dieses Modell ist üblich, um vorab zu testen, ob es mit dem Nachfolger im Unternehmen gut funktioniert. Der bisherige Unternehmer bleibt Gesellschafter und hält weiterhin die Anteile. Der nachfolgende Geschäftsführer bekommt ein Gehalt ausgezahlt“, verdeutlicht Efken. Das bedeutet auch: Vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens profitiert so lange noch der Altinhaber. „Üblicherweise einigt man sich aber auf gewisse Tantiemen oder Bonuszahlung anhand des Geschäftserfolgs für den neuen Geschäftsführer“, räumt Efken ein.
Ein steuerlich relevantes Risiko kann allerdings auf den Nachfolger zukommen, wenn er direkt gleichzeitig Geschäftsführer und Gesellschafter wird. Das Finanzamt schaut dann nämlich besonders genau hin, ob eine sogenannte verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt. „Überprüft wird, ob dem Nachfolger Vorteile gewährt werden, nur weil er auch Gesellschafter ist. Also etwa eine unangemessene Geschäftsführervergütung, überhöhte Tantiemen oder Mietverhältnisse zu Sonderkonditionen“, erläutert Norbert Kalker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Fachberater für Unternehmensnachfolge am Osnabrücker Standort der Kanzlei. Da die verdeckte Gewinnausschüttung steuerrechtlich nicht als Betriebsausgabe zu bewerten ist, kann diese nicht vom Gewinn der GmbH abgesetzt werden. Für den Nachfolger fällt zudem Kapitalertragssteuer für die Gewinnausschüttung an.