Aus Sicht der Unternehmensberatung
Soll eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter aus den eigenen Reihen die Nachfolge im Unternehmen antreten – ein sogenanntes Management-Buy-out –, dann hat sie oder er idealerweise vorher bereits Erfahrung in einer Schlüsselposition oder Leitungsfunktion im Betrieb gesammelt. „Der Nachfolger sollte sich schon bewiesen haben, um im Team entsprechend anerkannt zu sein“, rät Patrick Eek, Manager Mergers & Acquisitions bei der Unternehmensberatung Grafschafter Wertekontor in Nordhorn.
Kaufpreis aufbringen
Die fachlichen Kompetenzen sind das eine, die finanziellen Mittel das andere. „Den Kaufpreis für ein Unternehmen aufzubringen, kann eine sehr große Hürde sein. Insofern steht und fällt die Nachfolge durch einen Mitarbeitenden auch immer mit seinem finanziellen Vermögen“, weiß der Unternehmensberater, der mit seinem Team daher auch die Finanzierungsplanung gemeinsam mit der Hausbank der Mandanten eng begleitet.
Möglichkeiten, einen Unternehmenskauf zu finanzieren, gebe es viele. Nicht immer sind Nachfolgern alle bekannt: vom klassischen Kredit über Förderprogramme – etwa von der KfW – bis hin zu Bürgschaften durch die Bank oder Co-Investoren, die ins Boot geholt werden, um sich das wirtschaftliche Risiko zu teilen. Eine weitere Option ist die Earn-out-Regelung. Dazu werden im Kaufvertrag Zielmarken für Umsatz oder Ergebnis des Unternehmens festgelegt. Sobald diese erreicht sind, ist die nächste Zahlung an den Verkäufer oder die Verkäuferin fällig. Oder: Der Verkäufer oder die Verkäuferin verzichtet zunächst auf einen Teil des Kaufpreises, der dann über drei bis vier Jahre gestundet wird.
Bei der Kaufpreisfindung muss das Team vom Grafschafter Wertekontor mit Fingerspitzengefühl agieren. „Wunsch und Wirklichkeit müssen übereinkommen. Oft hat das Unternehmen für den bisherigen Inhaber einen höheren Wert als für die Nachfolgegeneration. Bei unrealistischen Preisvorstellungen müssen wir das dann auch ganz klar ansprechen“, betont Eek.
Der Übergang
Je nachdem, wie lange der Mitarbeitende bereits im Unternehmen arbeitet und wie komplex die Unternehmensstruktur ist, empfiehlt der Berater einen Übergang von mehreren Jahren. „Mindestens drei Jahre sollten es schon sein. Es gilt, den Mitarbeitenden gezielt aufzubauen – fachlich und persönlich.“ Das habe auch immer viel mit Vertrauen zu tun, schließlich gehe es um Interna, um Perspektiven und letztendlich um das Lebenswerk der abgebenden Generation. Und um die Akzeptanz im Team: Denn mit dem Wechsel an der Spitze ändern sich die Spielregeln fürs Team. Aus dem Kollegen wird der Chef. Die Entscheidungsmacht wird umverteilt. „Ein frühzeitiges Coaching in Vorbereitung auf die neue Rolle kann da sehr hilfreich sein. Schließlich geht es auch um persönliche Reife und Führungskompetenz, die aufgebaut werden muss“, betont Eek.
Aus rechtlicher Perspektive
Schrittweise mehr Verantwortung und Anteile abgeben – so gehen Unternehmerinnen und Unternehmer aus rechtlicher Perspektive häufig vor, wenn sie ihren Betrieb an einen Mitarbeiter aus den eigenen Reihen übertragen. „Häufig führt der Weg über die Prokura bis zur Geschäftsführung und – wenn alles soweit passt und gut verläuft – schließlich zum geschäftsführenden Gesellschafter, der Anteile am Unternehmen hält“, beschreibt Rechtsanwältin und Notarin Dr. Marie-Sophie Söbbeke von der gleichnamigen Kanzlei in Gronau-Epe den Prozess.
Der Übergabevertrag
Der Weg zum Nachfolger sollte im Übergabevertrag festgehalten werden. Darin ist auch ein ganz wesentlicher Punkt aufgeführt: wie der finanzielle Ausgleich gestaltet wird. Wird ein Kaufpreis fällig, eventuell in Raten gestaffelt und/oder eine lebenslange Rente gezahlt? Dabei sind auch die einkommensteuerlichen Aspekte auf Seiten des Übergebers zu beachten. „Im Falle eines Verkaufs könnte der Gewinn des Übergebers zu versteuern sein, was aus Sicht vieler Unternehmer verbranntes Geld ist. Eine Alternative kann es daher sein, dass dem abgebenden Unternehmer eine lebenslange Rente aus dem Betrieb gezahlt wird und der Mitarbeitende das Unternehmen ohne Zahlung eines Kaufpreises bekommt“, erläutert Söbbeke.
Wer ist für was ab wann verantwortlich?
Ein weiterer wichtiger Punkt im Vertrag ist der Zeithorizont, zu wann die Verantwortung konkret übertragen wird: Ist der bisherige Mitarbeitende ab Tag 1 voll verantwortlich? Oder ist er zunächst für einen Zeitraum von drei Monaten angestellter Geschäftsführer, bevor er alleiniger Geschäftsführer wird? Gibt es einen Beratervertrag mit dem bisherigen Geschäftsführer für X Monate? Söbbeke rät zum Stichtagsprinzip: Die Verantwortlichkeit in der Geschäftsführung wechselt also zum Beispiel zum 30. Juni oder 31. Dezember eines Jahres. Dabei sei es wichtig, festzulegen, inwieweit eine Haftung des Altinhabers ausgeschlossen wird und für welche Szenarien der Altinhaber eine Garantiehaftung übernimmt. „Es sollte geregelt werden, ab wann der Übernehmer die gesamte Verantwortung trägt. Für den Altinhaber ist es von großer Bedeutung, ab dem Tag X sämtliche Verantwortung und Risiken abzugeben, damit er weiß: Wenn über Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli eine Pandemie ausbricht und das Geschäft still steht, dann ist das nicht mehr mein Problem“, betont Söbbeke.
Aus steuerrechtlicher Perspektive
Während beim Unternehmensverkauf an einen Mitarbeitenden in der Regel Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn beim bisherigen Inhaber anfallen, steht beim Käufer eher die Frage im Raum, wie er den Kaufpreis optimal finanzieren kann. Eine Möglichkeit: Über ein sogenanntes Verkäuferdarlehen gewährt der bisherige Inhaber (Verkäufer) dem Mitarbeitenden (Käufer) einen Kredit über einen Teil des Kaufpreises. Der Käufer zahlt diesen Teil nicht sofort, sondern in Raten über eine vertraglich festgelegte Zeit zurück. „Zu diesem Finanzierungsmodell raten wir unseren Mandanten allerdings weniger, da sie sich so über einen längeren Zeitraum an den Altinhaber binden und das sehr streitanfällig sein kann. Einen richtigen Cut infolge des Inhaberwechsel gibt es so nicht“, stellt Norbert Kalker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Fachberater für Unternehmensnachfolge bei der Kanzlei Dr. Rudel, Schäfer & Partner in Osnabrück, klar. Er empfiehlt, mit der jeweiligen Hausbank über eine Finanzierung des Kaufpreises in Form von Krediten und Bürgschaften zu sprechen. „Teilweise sind Tilgungen bis zu zehn Jahre möglich. Und auch die KfW bietet zahlreiche Fördermöglichkeiten, über die sich zinsvergünstige Darlehen abschließen lassen“, erklärt Kalker.
Steuerliche Optimierung
Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs könnte weitere Bewegung in die steuerliche Optimierung bei Unternehmensübergaben bringen: Wenn Altinhaber ihr Unternehmen zu einem günstigeren Kaufpreis, als wenn sie es extern verkaufen würden, an einen Mitarbeiter abgeben, dann bewertet das Finanzamt diesen Vorgang wie einen geldwerten Vorteil. „Die Differenz zum eigentlichen Kaufpreis wurde bislang wie ein Lohnzuschuss gesehen, für den Steuern anfallen“, erläutert Kalker. Der Bundesfinanzhof hat nun entschieden, dass eine Besteuerung im Einzelfall geprüft werden muss. „Hintergrund ist, dass die Nachfolgeregelung durch einen Mitarbeiter den Erhalt des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze sichert und damit ein wichtiges Modell für die Erhaltung der Wirtschaftskraft ist. Das hat der Bundesfinanzhof anerkannt und rückt daher davon ab, die Übergabe als geldwerten Vorteil zu sehen“, wie der Steuerberater erklärt.
Verbindliche Auskunft
Um vorab besser einschätzen zu können, welche steuerlichen Risiken bei einer Unternehmensübergabe an einen Mitarbeitenden (oder auch familienintern oder extern) auf Nachfolger und Altinhaber zukommen können, gibt es die sogenannte verbindliche Auskunft. Das ist eine formelle, rechtlich bindende Stellungnahme der Finanzverwaltung, also des jeweils zuständigen Finanzamts. „Wenn eine Unsicherheit bei der Rechtslage besteht, ist das ein gutes Instrument, um ein besseres Gefühl für die Situation und steuerrechtliche Konsequenzen, die sich daraus ergeben, zu bekommen. Das ersetzt keine rechtliche Beratung, sondern kann wichtiger Bestandteil in der finalen Phase der steuerrechtlichen Planung sein“, betont Dr. Christian Merz, Rechtsanwalt und Notar am Osnabrücker Standort der Kanzlei Dr. Rudel, Schäfer & Partner.
Share Deal oder Asset Deal?
Entscheidend auf die Steuerlast beim Unternehmensverkauf an einen Mitarbeitenden wirkt sich außerdem aus, ob die Übertragung im Rahmen eines Share Deals oder eines Asset Deals erfolgt. Beim Share Deal, also dem Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, kann der Kaufpreis nämlich nicht auf konkrete einzelne Wirtschaftsgüter des Unternehmens heruntergebrochen werden. „Der Käufer erwirbt lediglich Anteile an der GmbH, kein Betriebsvermögen. Dazu gehören allerdings auch Schulden und andere Altlasten, was ein Risiko sein kann“, erläutert Steuerberater Kalker. Durch die Anteilsübertragung entfällt die Möglichkeit für den Käufer, den Kaufpreis steuerlich wirksam abschreiben und damit die Steuerlast reduzieren zu können.
Im Gegensatz dazu steht der Asset Deal. „Bei dieser Form werden einzelne Wirtschaftsgüter wie Immobilien, Patente oder Maschinen aus beispielsweise einer GmbH gekauft, die sich einzeln bewerten lassen und somit steuerlich abgeschrieben werden können. Das ist für den Käufer ganz klar das attraktivere Modell“, erklärt Kalker. Das führe aber in der Regel auch dazu, dass der Kaufpreis erhöht wird, weil der Käufer ohnehin schon von einer geringeren Steuerlast profitiert.
Aus Sicht des Verkäufers, der eine GmbH unterhalb einer Holding unterhält, ist wiederum der Share Deal das attraktivere Modell. „Sofern im Rahmen eines Share Deals die GmbH-Anteile aus der Holdingstruktur heraus verkauft werden und der Veräußerungserlös in der Holding verbleibt, ist der erzielte Gewinn aus diesem Verkauf im Ergebnis nahezu steuerfrei“, informiert Markus Efken, Steuerberater am Meller Standort der Kanzlei. Daher sei es wichtig, frühzeitig in die Nachfolgeplanung einzusteigen, um gegebenenfalls eine Holdingstruktur zu schaffen, bevor eine GmbH verkauft werden soll.