Münster

Münster: Großer Aufschlag für „Modellprojekt Integration“

Münster – Für das „Modellprojekt Integration“ hat sich die Bezirksregierung Münster mit der Polizei Münster zusammengetan und zugleich viele Akteure aus Wirtschaft, Kultur und Sport um sich versammelt. Mit dem Projekt sollen vor allem junge geflüchtete Menschen in der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) Münster angesprochen werden. Das Ziel: Vermittlung von Werten und beruflichen Perspektiven. Ein Testballon, der zum Start auf großes Interesse stößt.

Gruppenbild mit Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf und Regierungspräsident Andreas Bothe (Bildmitte). Foto: Schulte, Wirtschaft aktuell

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Am Donnerstag wurde ein „Letter of Intent“, also eine Absichtserklärung, mit den wichtigsten Beteiligten unterzeichnet – und zwar direkt vor Ort im alten Offizierscasino in Münsters Stadtteil Gremmendorf, wo die ZUE derzeit noch untergebracht ist. Etwas mehr als 700 Menschen leben derzeit in der Einrichtung, die damit zu den größten im Bereich der Bezirksregierung Münster zählt. Vor allem handele es sich dabei um junge und allein reisende Männer, wie Regierungspräsident Andreas Bothe erklärte. 

Genau die sind Zielgruppe des Modellprojekts, das bei der Integration helfen soll, selbst wenn nicht alle Bewohner der ZUE dauerhaft in Deutschland bleiben werden. „Aber dann sollen sie wenigstens etwas mitnehmen in ihre Heimatländer“, so Bothe weiter. 

Konkret geplant ist die Einbeziehung von verschiedenen Akteuren, darunter die IHK Nord Westfalen, die Kreishandwerkerschaft Münster, die Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf, die Agentur für Arbeit Ahlen-Münster, aber auch Vereine wie der SC Preußen Münster, die Kinder- und Jugendhilfe Outlaw oder der Verein Cactus Junges Theater. Sie alle steuern kleine Projekte bei, die dabei helfen sollen, Tagesstrukturen zu erzeugen, Werte zu vermitteln, Verständnis für demokratische Strukturen zu sichern – und auch berufliche Perspektiven für die jeweilige Zukunft aufzuzeigen. 

Werte und Regeln waren die beiden Schlagwörter, die am Donnerstag häufig genannt wurden. Es sei wichtig, diese zu vermitteln, war die zentrale Botschaft. Und so ist es wohl kein Zufall, dass der Anstoß für das Modellprojekt von der Polizei Münster kam, die den Kontakt zur Bezirksregierung suchte. „Seit 2015 ist das Thema Migration bestimmend“, so Münsters Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf. „Und ehrlich gesagt, haben wir als Gesellschaft noch keine wirklich guten Lösungen gefunden.“ Zunehmend verlören Menschen das Vertrauen in Politik und Staat, solche Lösungen zu finden, so Dorndorf. Aus diesem Gedanken heraus sei die Idee entstanden, „mit Mut ins Handeln zu kommen.“ Denn Integration entschiede sich nicht in Berlin, sondern vor Ort, beispielsweise in Münster. 

„Und hier sind wir viele, wir haben hochkarätige Vereine und Verbände gewonnen und schauen aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln auf das Thema. Wir alle haben ein Ziel: ein friedliches und respektvolles Miteinander“, so Dorndorf. 

Selbsthilfe verhindern

Aus Sicht der Polizei kann ein Modellprojekt wie in Münster dazu beitragen, auch vorhandene Probleme zu reduzieren. Man wolle verhindern, dass es zur Selbsthilfe komme, so hieß es am Donnerstag. Viele Geflüchtete hätten Polizei eher repressiv erlebt in ihren Heimatländern und müssten erst lernen, dass in Deutschland andere Strukturen herrschten. Der integrative Ansatz sei deshalb nicht zu verwechseln mit Untätigkeit: Straftaten würden verfolgt und Handlungen hätten Konsequenzen - auch das müsse gelernt werden. 

Ob der Ansatz gelingen kann? Wie viel Werte und Regeln, aber auch berufliche Perspektiven lassen sich in den sechs bis acht Monaten vermitteln, die Menschen durchschnittlich in der ZUE in Münster verbringen? „Das wissen wir heute nicht“, so Dorndorf. „Vermutlich wird nicht alles gelingen, aber einiges. Und dann wäre schon etwas gewonnen.“ 

Einig waren sich die Akteure am Donnerstag im pragmatischen Ansatz, es einfach zu versuchen. Man müsse jetzt einfach schnell handeln, war immer wieder zu hören. Und so haben manche Projekte längst begonnen. Outlaw bindet beispielsweise junge Menschen in sozialpädagogische Maßnahmen ein und verbindet sich dank der Zusammenarbeit mit Preußen Münster mit dem Sport, wo Profifußballer als „Role Models“, Vorbilder, dienen können. „Spiegelregeln und Werte lassen sich gut über den Sport vermitteln“, so Preußens Geschäftsführer Ole Kittner. 
 

Die Kreishandwerkerschaft Steinfurt Warendorf will jungen Geflüchteten technische Berufsfelder und gefestigte Strukturen der Arbeitswelt vermitteln, dazu auch Ehrenamtler mit einbeziehen. „Für uns zählt nicht, woher du kommst, sondern wo du hin möchtest“, so Hauptgeschäftsführer Frank Tischner. „Wir wollen hier pragmatisch sein, Strukturen aufbrechen. Und ich bin da gern die Kuh, die quer im Stall steht“, so Tischner mit einem Augenzwinkern. 

Viele Räder sollen in Münster nun ineinander greifen. Die Agentur für Arbeit Ahlen-Münster will direkt in der ZUE Hilfestellungen bieten bei der beruflichen Orientierung und dann als „Lotse“ dienen. 

Damit die verschiedenen Projekte auch die Zielgruppen erreichen, werde der lokale Betreuungsdienst in der ZUE als „Scharnier“ dienen, um die Informationen an die Bewohner zu vermitteln. 

Das Modellprojekt – in dieser Form bundesweit einmalig, wie Andreas Bothe betonte – stehe auch für ein Umdenken. Bisher habe man bewusst darauf verzichtet. „verfestigende“ Angebote für Geflüchtete zu machen, so Bothe. Diesen Gedankengang habe man in Münster nun aufgebrochen und gehe einen anderen Weg. Münster sei in gewisser Weise ein „Reallabor“, so Bothe. 

Und Dorndorf erklärte, warum dieses Modellprojekt erst zehn Jahre nach Beginn der ersten Flüchtlingsströme beginnt: „Das ist ein neues Denken, so etwas benötigt Zeit.“

Ein Thema, das am Donnerstag ausgespart wurde, wird wohl noch geklärt werden müssen: Die Frage nach der Finanzierung nämlich. Zwar sind viele Projekte so angelegt, dass sie mit vergleichsweise überschaubaren Kosten verbunden sein dürften, doch für andere, beispielsweise die Bereitstellung von Werkstätten oder anderen (Aus-)Bildungsprojekten werden sicher kein Nullsummenspiel bleiben. 

Video-Interview mit Frank Tischner 

 


 

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