Nachhaltigkeitsberichterstattung | Nicht den Anschluss verlieren

Münster - Die erweiterte Pflicht zur Nachhaltigkeits-Berichterstattung betrifft künftig mehr als 15.000 Unternehmen in Deutschland und wirkt sich auf fast jeden Unternehmensbereich aus. Doch unabhängig davon, ob man bereits von der gesetzlichen Pflicht betroffen ist oder noch nicht: Wer nicht nachhaltig handelt, verliert – Kunden, Mitarbeitende, Reputation. Das gilt auch für kleine und mittlere Unternehmen, warnt Dirk Beil, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner bei der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft HLB Schumacher aus Münster. Wie Unternehmen nun vorgehen sollten, erklärt er für Wirtschaft aktuell.

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Ab 2025 sind alle nach handelsrechtlichen Merkmalen als „groß“ eingestufte Unternehmen verpflichtet, die sogenannte CSRD-Richtlinie – also die Corporate Sustainability Reporting Directive der EU für die Nachhaltigkeitsberichterstattung – umzusetzen und ihrer Berichtspflicht entsprechend nachzukommen. Doch allein auf die Gesetzgebung zu schauen, genügt bei weitem nicht: Alle Unternehmen – ob groß oder klein – müssen derzeit nach tragfähigen Lösungen suchen, um langfristig bestehen zu können. Nachhaltiges Handeln und weitsichtiges Wirtschaften sind existenziell geworden und müssen mit dem Tagesgeschäft in Einklang gebracht werden.

Kunden, Lieferanten und Banken schauen mittlerweile sehr genau auf die Nachhaltigkeitsmaßnahmen eines Unternehmens. So haben beispielsweise Banken immer strengere Vorschriften zur Kreditvergabe, Kunden und Lieferanten müssen ihre eigenen Lieferketten hinsichtlich der Nachhaltigkeit optimieren und diverse EU-Förderprogramme beinhalten seit der aktuellen Förderperiode eine aufwändige Klimaverträglichkeitsprüfung der Investitionsvorhaben. So wächst der Druck auf die Unternehmen – auch auf kleinere – von allen Seiten.

Fachkräfte suchen gezielt „grüne" Arbeitgeber

Insbesondere im hart umkämpften Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter zahlt sich eine „grüne“ Reputation aus. So belegen aktuelle Studien der Bertelsmann Stiftung und der Stepstone Group, dass vor allem jüngere Arbeitnehmer verstärkt auf die Nachhaltigkeit eines Unternehmens schauen: Zwei Drittel der Befragten achten inzwischen bei der Wahl ihres Arbeitgebers auch auf dessen Umgang mit den Themen Environmental, Social und Corporate Governance (ESG) und drei von vier Befragten würden sich eher bei nachhaltigen Unternehmen bewerben. Vielfalt, Chancengleichheit und sozial gerechte Unternehmenspraktiken stehen weit oben auf der Anforderungsliste potenzieller Mitarbeitender – und befeuert durch soziale Netzwerke und weltweite Kommunikationswege ist die Gefahr für Unternehmen durchaus hoch, wegen fehlender Nachhaltigkeitsanstrengungen kritisiert und negativ beurteilt zu werden. 

Und auch bei den Produkten selbst spielen Ökologie und Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle: Das Zukunftsinstitut hat bereits im Jahr 2021 Neo-Ökologie erneut als Megatrend für die kommenden Jahrzehnte identifiziert, basierend auf den Entwicklungen hin zu einer globalisierten Gesellschaft, zu einem neuen Verständnis für die Natur und damit einhergehend auch zu neuem Wirtschaften. Gut beraten ist also, wer auf Diversifizierung setzt und sein Sortiment um „grüne“ Produktlinien erweitert. Auch nachhaltige Produktionsmethoden zählen dazu. Daraus ergeben sich für Unternehmen mehrere Vorteile: Langfristige monetäre Einsparungen durch moderne Produktionsprozesse, Wettbewerbsvorteile, die Erfüllung der rechtlichen Vorgaben sowie eine höhere Attraktivität für Investoren, Kreditgeber und Mitarbeitende.

Unternehmen müssen sich fragen: 
• Ist mein Unternehmen von der Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffen?   
• Ab wann wird das Nachhaltigkeitsreporting für mein Unternehmen zur Pflicht? 
• Was muss berichtet werden?
• Was ist bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu beachten?
• Wie soll ich die Umsetzung realisieren?

Für große und kapitalmarktorientierte Unternehmen gelten ab 2024 und 2025 strenge Berichtspflichten:
Nachhaltigkeitsreporting 2025 über das Geschäftsjahr 2024: Zur Berichterstattung verpflichtet sind alle Unternehmen, die bislang zur Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung verpflichtet waren; also: börsennotierte Unternehmen, Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften mit mehr als 500 Beschäftigten

Nachhaltigkeitsreporting 2026 über das Geschäftsjahr 2025: Erstmalig zur Berichterstattung verpflichtet sind große Unternehmen, die bislang noch nicht zur Abgabe einer Erklärung verpflichtet waren. 

Die Daten für die jeweiligen Berichte müssen also bereits im laufenden oder im nächsten Jahr gesammelt und aufbereitet werden. Dafür müssen nicht nur das eigene Unternehmen, sondern auch Lieferanten und Partnerunternehmen in allen drei ESG-Bereichen genau unter die Lupe genommen werden, beispielsweise für den Bereich Umwelt unter den Gesichtspunkten Klimawandel, Verschmutzung, Wasser- und Meeresressourcen, Biodiversität und Ökosysteme sowie Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft.

Digitale Daten als Grundlage

Ein weiterer Aspekt: Wer nachhaltig denkt, kommt an Digitalisierung kaum vorbei, denn allein die Daten und Nachweise, die für den Nachhaltigkeitsbericht erbracht werden müssen, gilt es zu erheben, auszuwerten und sinnstiftend zu analysieren. Wer hier noch auf „Zettelwirtschaft“ setzt, hat kaum eine Chance, den künftigen Anforderungen gerecht zu werden. Ein professionelles Datenmanagementsystem ist also eine empfehlenswerte Lösung, sollte aber nicht für sich alleinstehen. Maßnahmen der Digitalisierung berücksichtigen idealerweise alle im Unternehmen laufenden Prozesse und Systeme, vereinheitlichen dezentral organisierte Datenbanken und schaffen benötigte Schnittstellen. Grundsätzlich mag das zunächst umfangreich und kostenintensiv wirken und viele Unternehmer vor großen Schritten in diese Richtung zurückschrecken lassen. Dabei amortisieren sich gerade digitalisierte Arbeitsabläufe in der Regel schnell, weil sie Kosten und Ressourcen einsparen, die damit anderweitig zur Verfügung stehen.

Fazit

Insgesamt zählt für Unternehmen in den nächsten Jahren vor allem eines: Den eigenen ökologischen Fußabdruck zu optimieren und – das darf nicht übersehen werden – am Markt deutlich zu kommunizieren. Fest steht, dass ressourcen- und energieeffiziente Unternehmen, die bei der Produktentwicklung auf soziale und ökologische Aspekte schauen, Produktverantwortung und Verbraucherorientierung ernst nehmen sowie den Klimawandel und dessen Auswirkungen im Auge behalten, auf eine bessere Reputation und eine höhere Attraktivität für Fachkräfte bauen können.

Dirk Beil
Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner, Sustainability AuditorIDW, HLB Schumacher

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