„Man muss sich in Zeiten des Fachkräftemangels schon deutlich mehr einfallen lassen, um sich als attraktiver Arbeitgeber für neue Mitarbeiter zu positionieren und um die besten Köpfe langfristig an sich zu binden“, betont Schulte-Bernd. Ein Job-Rad oder ein betriebliches Gesundheitsmanagement reiche da aus seiner Sicht längst nicht mehr aus. „Diese Angebote sind für viele schon selbstverständlich geworden“, weiß er. Vor diesem Hintergrund hat sich der Geschäftsführer des Gebäudetechnik-Spezialisten Gedanken gemacht, wie er sich von den „Standard-Benefits“ abheben kann. Die Idee für die Vier-Tage-Woche hatte er schon länger im Hinterkopf – nicht nur mit Blick auf die Mitarbeiterzufriedenheit, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen. „Der Freitag ist mir als Arbeitstag schon länger ein Dorn im Auge gewesen. Ab Freitagmittag sind viele Kunden oder Geschäftspartner schon im Wochenende, sodass die wirklich produktive Zeit dann ohnehin schon für diese Woche beendet ist“, erläutert Schulte-Bernd. Er hat nun die Wochenarbeitszeit von 40 auf 36 Stunden reduziert und setzt auf vier „vollere Tage“.
Rund ein dreiviertel Jahr hat Schulte-Bernd gemeinsam mit Vertretern der verschiedenen Abteilungen bei Rönne Technik in Gruppen erarbeitet, wie ein funktionierendes Konzept für das Handwerksunternehmen aussehen könnte. „Es ist wichtig, jeden Mitarbeiter bei einem solchen Prozess mitzunehmen und transparent zu informieren. Nur dann findet das Modell auch bei allen Akzeptanz“, betont Schulte-Bernd. Im Vorfeld war auch jede Menge Bürokratiearbeit nötig: Arbeitsverträge für die rund 100 Mitarbeiter mussten angepasst werden, Einsatzzeiten für den 24-Stunden-Notdienst terminiert und Schichtpläne für jede Woche geschrieben werden.
Zum 1. Januar dieses Jahres ist Rönne Technik dann auf den Vier-Tages-Rhythmus umgestiegen. Die Reduzierung der Wochenarbeitszeit erfolgt bei gleichem Lohn. „Für uns war von Anfang an klar, dass wir nicht an der Gehaltsschraube drehen werden – weder nach unten noch nach oben“, betont Schulte-Bernd. „Denn in Zeiten wie diesen wird keiner für einen Benefit freiwillig weniger Lohn in Kauf nehmen. Umgekehrt haben wir uns mit unserer Belegschaft darauf geeinigt, dass es in diesem Zeitraum auch keine tarifliche Lohnerhöhung von 3,5 Prozent gibt, wie ursprünglich vorgesehen. Unterm Strich haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch die reduzierte Stundenanzahl bei gleichem Lohn ohnehin schon eine Lohnerhöhung bekommen.“
Um die 36 Stunden gleichmäßig auf vier Arbeitstage zu verteilen, arbeiten die Mitarbeitenden bei Rönne Technik nun neun Stunden und haben eine dreiviertel Stunde Mittagspause. „So bleiben wir auch innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeit von maximal zehn Stunden pro Tag“, erklärt Schulte-Bernd. Da der zusätzliche freie Tag in der Woche je nach Mitarbeiter variiert, ist das Team weiterhin von Montagmorgen sieben Uhr bis Freitagnachmittag 17 Uhr erreichbar. „Voraussetzung war für mich, dass es für unsere Kunden keine Einschränkungen gibt“, macht Geschäftsführer Schulte-Bernd deutlich.
Kurze Woche für mehr Erholung
Zunächst für ein halbes Jahr will Rönne Technik das neue System testen. Alle vier Wochen treffen sich die Arbeitsgruppen, um ein Zwischenfazit zu ziehen. Der Geschäftsführer ist optimistisch: „Ich habe die Vier-Tage-Woche für mich selbst schon einige Jahre getestet, wenn es zeitlich passte. Einen Tag mehr Wochenende zu haben, bringt für die Erholung enorm viel. Ich habe deutlich mehr Energie für die neue Arbeitswoche.“ Mehr Freizeit zu haben, sei schließlich auch ein entscheidender Benefit für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Insbesondere den jüngeren Menschen sei das wichtig, wie Schulte-Bernd betont.
In seinem Team gab es zu Beginn aber auch Skepsis: „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Den Arbeitsalltag um einen Tag zu reduzieren, aber trotzdem alle Aufgaben zu schaffen und dafür das Privatleben auf einen freien Tag mehr zu verteilen, kann zu Beginn schon eine Herausforderung sein.“
Auf die ersten Monate blickt der Unternehmer bisher positiv. Vor allem bei der Suche nach neuen Fachkräften für Rönne Technik habe ihm dieser Benefit „geholfen“. „Wir haben aktuell sechs neue Stellen besetzt. Für einen Großteil der Bewerber war die Tatsache, dass wir in einer Vier-Tage-Woche arbeiten, der letzte, entscheidende Punkt für einen Wechsel zu uns“, freut sich Schulte-Bernd.
Volle Auftragsbücher
Die zusätzlichen Fachkräfte benötigt das Schüttorfer Unternehmen händeringend, denn die Auftragsbücher sind bis weit ins Jahr gefüllt. Angesichts der Energiewende und steigender Kosten ist die Nachfrage nach Gebäudetechnik wie Wärmepumpen und PV-Anlagen, die das Rönne-Team installiert, gestiegen. „Die Vernetzung der verschiedenen Anlagen untereinander für die bestmögliche Energieerzeugung und -nutzung ist dabei ganz entscheidend“, weiß Schulte-Bernd. Mit seinem Team unterstützt er Privatkunden und Unternehmen im Umkreis von 200 Kilometern mit entsprechender Netzwerk- und Datentechnik. Dass er dafür die passenden Fachkräfte findet und das bestehende Team halten kann, ist für Schulte-Bernd auch eine Frage der Benefits: „Mit der Vier-Tage-Woche können wir uns in der Region schon sehr gut behaupten, da es meines Wissens kaum einen anderen Handwerksbetrieb gibt, der das anbietet. Gemeinsam mit unseren anderen Incentives wie beispielsweise Job-Rad, Betriebsrente oder Homeoffice-Optionen haben wir ein gutes Paket zusammengestellt.“
Anja Wittenberg