Landkreis Grafschaft Bentheim

„Veränderung und Innovation entstehen am besten im Austausch“

Nordhorn - Vor knapp einem halben Jahr hat Gitta Mäulen die Geschäftsführung der Wirtschaftsvereinigung Grafschaft Bentheim und der angeschlossenen Dienstleistungsunternehmen übernommen. Im Interview mit Wirtschaft aktuell zieht sie eine erste Bilanz. Sie spricht über Herausforderungen und Lösungsansätze, aber auch über sich und ihre Motivation.

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Frau Mäulen, sind Sie eigentlich schon so richtig bei der Wirtschaftsvereinigung angekommen?
Die verschiedenen Gesellschaften und Vereine, die mir in meinem neuen Aufgabenfeld zugeordnet sind, umfassen sehr vielfältige Themenfelder. Mittlerweile fühle ich mich gut angekommen. Ich stand schon vor meinem Start am 1. April in regem Austausch mit der Wirtschaftsvereinigung und einigen der handelnden Akteure. Das hat mir das Ankommen deutlich erleichtert. Eine richtig große Hilfe dabei waren der Vorstand und das Team hier vor Ort im Nino-Hochbau, die mich sehr offen und herzlich aufgenommen haben. Auch der enge Austausch mit meiner Vorgängerin Jutta Lübbert war sehr von Vorteil. 
 
Was hat Sie im vergangenen Jahr motiviert, sich auf die Stelle zu bewerben?
Ich habe mich 19 Jahre in der Kreisverwaltung des Landkreises Grafschaft Bentheim engagiert. Bei der Arbeit war es für mich immer wichtig, Dinge bewegen und mitgestalten zu können. Diese Möglichkeit habe ich in meinen Funktionen genießen dürfen. Durch den Wechsel zur Wirtschaftsvereinigung habe ich die Möglichkeit, in einem neuen Feld mit einer anderen Perspektive heraus zu gestalten. Auch das Netzwerk in einem starken, mittelständisch-geprägten Wirtschaftsraum war für mich sehr attraktiv. Wir haben in den vergangenen Jahren eine tolle wirtschaftliche Entwicklung erlebt und für mich ist es ein großes Privileg, diesen Weg nun mitgestalten zu dürfen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der großen Herausforderungen, denen sich Unternehmen und auch wir als Gesellschaft insgesamt stellen müssen. 

Wie fällt jetzt – nach den ersten sechs Monaten – der Realitäts-Check aus?
Ich bin schon sehr beeindruckt von den Mitgliedsunternehmen und den Menschen, die dahinterstecken. Veränderung und Innovation entstehen am besten im Austausch, wenn Menschen ihre Erfahrungen und Sichtweisen miteinander teilen. Und genau dazu kann die Wirtschaftsvereinigung etwas beitragen, weil sie ein lebendiges Netzwerk ist, in dem sich die Menschen aktiv einbringen. Das begleiten zu dürfen, macht mir besonderen Spaß. Nicht zu vergessen: Ich habe hier ein wirklich tolles Team mit sehr engagierten und in der Sache auch sehr professionellen Kolleginnen und Kollegen. Auch das gibt der Arbeit einen großen Wert. Mir macht es jedenfalls viel Freude. 

Gab es bislang schon Dinge, die Sie so richtig überrascht haben?
Überrascht hat mich, dass sehr, sehr viele Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedsunternehmen direkt auf mich zugekommen sind. Ich wurde angerufen, angeschrieben, es wurden viele Einladungen ausgesprochen und natürlich habe ich auch schon das eine oder andere Unternehmen besucht. Überall ist man sehr herzlich auf mich zugekommen. Diese sehr schnelle und direkte Reaktion hat mich positiv überrascht.

Wo steht die Wirtschaftsvereinigung heute?
Die Wirtschaftsvereinigung vertritt und unterstützt die Interessen von rund 200 ganz unterschiedlichen Wirtschaftsunternehmen. Unsere Mitglieder kommen aus allen möglichen Branchen und vom Ein-Personen-Betrieb bis hin zum großen Industrieunternehmen ist alles dabei. Wir sind offen für alle Unternehmen in der Region und freuen uns über jedes neue Mitglied, das ein Interesse an einer gemeinsamen Arbeit hat. Unser Ziel ist es dabei, die Interessen der Unternehmen zu kennen, um sie dann zu bündeln und aktiv vertreten zu können. Hier kommt uns die Größe des Vereins entgegen, der in der Region schon eine starke Stimme hat. Zudem sind wir Dienstleister für die Unternehmen in den Bereichen Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit mit unseren Arbeitsmedizinischen Zen­tren – dem AMZ – oder im Bereich Energie mit der Energieberatung und verschiedenen Einkaufspools. Hinzu kommen der Bereich Personal und Personalentwicklung sowie unser Bildungswerk. Wir verstehen uns als Impulsgeber und lebendiges Netzwerk für unsere Mitglieder, die sich zum Beispiel sehr gerne in unseren großen Veranstaltungen – also dem Neujahrsempfang oder der Mitgliederversammlung – vernetzen und informieren. 

Was ist Ihre Vision für die Wirtschaftsvereinigung von morgen?
Ich halte das Motto der Wirtschaftsvereinigung „Gemeinsam stark!“ für eine gute Richtschnur. Aus der Vielfalt unserer Mitglieder lassen sich zahlreiche spannende Ansätze für gemeinsame Aktivitäten ableiten. Das ist eine enorme Chance. Auch in Zukunft werden wir unsere Aktivtäten an den Kompetenzfeldern „Bildung und Fachkräfte“, „Energie und Energieeffizienz“, „Digitalisierung und Innovation“ und die regionalpolitische Verantwortung in Ergänzung dazu, ausrichten. Wir werden auch weiterhin Kooperationsangebote und Netzwerkplattformen in ganz unterschiedlichen Formaten für den Wissensaustauch schaffen. Auch die Ausrichtung mit eigenen Beratungs- und Dienstleistungsangeboten und das Artikulieren von Interessen an den relevanten Stellen werden wesentliche Standbeine der Wirtschaftsvereinigung bleiben. Unsere Unternehmen prägen die Entwicklung der Region. Daher ist mir gerade auch vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Herausforderungen die Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren ein besonderes Anliegen. Wenn wir dieses Netzwerk mit den Wirtschaftsunternehmen aktiv leben, sind wir sogar mit Blick auf die großen Themenfelder in der Lage, die Region gemeinsam zu gestalten – und davon kann jedes einzelne Unternehmen für sich profitieren.

Wie wollen Sie das angehen?
Wir haben in den vergangenen Monaten mit dem Team und unserem Vorstand unsere Zielausrichtung und die dazugehörigen Instrumente überprüft. Dabei wurde noch einmal deutlich, dass für die Wirtschaftsvereinigung der lebendige Austausch zentral ist. Um das noch weiter zu verbessern wollen wir die Mitgliedsunternehmen noch stärker bei der inhaltlichen Ausrichtung einbeziehen, zum Beispiel durch Abfragen und das Format der Unter-Uns-Veranstaltungen, in dem Mitgliedsunternehmen als Gastgeber fungieren. 

Was sind aktuell für die Wirtschaftsvereinigung und die Wirtschaft in der Grafschaft die wichtigsten Themen?
Wir kommen aus einer Phase der sehr guten wirtschaftlichen Entwicklung und eines Beschäftigungsaufbaus, die nach einem gelungenen Wandel der Wirtschaftsstruktur in unserer Region als großer Erfolg und Verdienst der Unternehmen und handelnden Akteure zu bezeichnen ist. Wir wissen aber bereits seit einigen Jahren, dass Veränderungsbedarf besteht. Nun haben die aktuellen Krisen, diese Notwendigkeit zum Wandel noch dringender gemacht. Aktuell dreht sich auch bei uns natürlich vieles um die großen gesellschaftlichen Fragen. Besonders akut sind dabei die Energieverfügbarkeit und die Energiekosten. Das treibt sehr viele unserer Unternehmen massiv um und stellt sich für einige dramatisch dar.Auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind leider noch nicht vom Tisch. Hinzu kommen Material- und Lieferengpässe sowie die Auswirkungen der Inflation. Das alles setzt die Wirtschaft unter Druck. Eine nicht zu unterschätzende Herausforderung bleibt nach wie vor auch der Fachkräftemangel und damit einhergehend ein Stück weit auch die Digitalisierung. Digitalisierung, oder konkreter gesagt Automatisierung, wird ein Baustein zur Bewältigung des Fachkräftemangels sein müssen. Damit werden wir das Problem insgesamt zwar nicht lösen, aber es wird einen Beitrag leisten können. 

Wie zuversichtlich sind Sie, dass wir all diese Herausforderungen erfolgreich meistern werden?
Die Gespräche, die ich in den ersten Monaten führen durfte, haben mich sehr optimistisch gestimmt, dass die Unternehmen in unserer Region zu dem erforderlichen Wandel fähig sind. Es gibt dort eine große Bereitschaft, umzudenken und an vielen Stellen wird das sogar bereits in Angriff genommen. Klar ist aber: Die Unternehmen benötigen Unterstützung. Politik und Verwaltung sind gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die die notwendigen Veränderungen beschleunigen. Wir brauchen mehr Schnelligkeit – insbesondere bei der Energiewende.  

Was würden Sie sich da konkret wünschen?
Zum einen wird es wichtig sein, Genehmigungsverfahren für den Ausbau regenerativer Energieanlagen deutlich zu beschleunigen. Der nun angelaufene Ausbau der LNG-Terminals zeigt ja, dass es gehen kann. Mit Blick auf die akute Energiekrise, die wir zurzeit erleben, ist die Politik gefordert, Negativentwicklungen für unsere Wirtschaftsstruktur – insbesondere auch im Mittelstand – abzuwenden.

Wie sehen Sie die Rolle der Wirtschaftsvereinigung dabei?
Unsere Aufgabe sehe ich darin, den Unternehmen Möglichkeiten des Agierens im Hinblick auf die Themen zu erschließen, durch Austausch, Beratung und Impulse den notwendigen Wandel zu unterstützen und dabei die Möglichkeit der Zusammenarbeit in Netzwerken zu beeinflussen bzw. Ideen und Überlegungen von Unternehmen zusammenzubringen. Zudem können wir den Unternehmen vor Ort praktische Hilfestellungen geben. Zum Beispiel mit dem bereits angesprochenen Forum Energieberatung oder den Energieeinkaufpools. Am Ende geht es uns darum, unseren Mitgliedern hier vor Ort dabei zu helfen, möglichst proaktiv agieren zu können. Ein gutes Beispiel dafür ist der schon angesprochene Fachkräftemangel. Der hier gesetzte Schwerpunkt in den Themenfeldern der Wirtschaftsvereinigung erscheint mir vor dem Hintergrund der demografischen Veränderung und der damit einhergehenden Zuspitzung der Situation angemessen. Wir haben auf diesem Themengebiet in den vergangenen Jahren eine große Beratungskompetenz aufgebaut, sodass wir den Unternehmen konkrete Hilfestellungen bieten können. Zudem engagieren wir uns aktiv für bessere Rahmenbedingungen: Wir haben gemeinsam mit dem Landkreis und der Kreishandwerkerschaft eine Fachkräfteinitiative ins Leben gerufen, mit der wir vorhandene Fachkräfte binden und neue Fachkräfte in den Landkreis locken wollen. Auch die Initiative für den „Campus Berufliche Bildung“, die vor gut zwei Jahren von der Wirtschaftsvereinigung ausging, zahlt darauf ein. Die Planungen für den Campus, der die Ausbildung in der Grafschaft noch weiter stärken soll, laufen auf Hochtouren. Auch dieses Projekt gehen wir im Verbund mit dem Landkreis und der Kreishandwerkerschaft an und auch dieses Projekt wird am Ende dazu beitragen, die berufliche Bildung als Grundlage für die Entwicklung von Fachkräften zu stärken. Zukünftig steht sicherlich auch das Thema Zuwanderung auf der Agenda. Ganz ähnlich stellt sich die Wirtschaftsvereinigung bei der Digitalisierung auf. Auch für diese Herausforderung wollen wir Impulse durch verschiedene Formate bieten. 

Frau Mäulen, ein halbes Jahr reicht nicht aus, um die mehr als 200 Mitglieder der Wirtschaftsvereinigung alle persönlich kennenzulernen. Können Sie den Unternehmerinnen und Unternehmern, die Sie noch nicht kennen, einen ersten Eindruck verschaffen? Wie würden Sie sich selbst beschreiben? 
Da fange ich mal mit meinem biografischen Hintergrund an: Ich bin in Nordhorn geboren, habe hier die Schule besucht und das Abitur absolviert. Danach habe ich die Grafschaft verlassen, um in Hamburg eine Ausbildung zur Bankkauffrau zu machen und später dann in Münster Wirtschaftswissenschaften zu studieren. 1995 bin ich mit meiner Familie in die Grafschaft zurückgekehrt. Ich habe eine Stelle im Personalbereich bei einem Unternehmen der City-Group angetreten, bevor ich 2003 zum Landkreis Grafschaft Bentheim wechselte, wo ich seither verschiedene Positionen innehatte. Zuletzt als Dezernentin für den Bereich Gesundheit, Soziales, Personal und Organisation. 

Das sind die biografischen Eckdaten, was zeichnet Sie darüber hinaus aus?  
Dem würde ich mich gern mit einem Zitat von Wilhelm von Humboldt nähern: „Im Grunde sind es immer die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.“ Das ist für mich ein Leitmotiv, das sich wie ein roter Faden durch mein Arbeitsleben zieht. Das gilt sowohl für die Zusammenarbeit mit meinen Teams als auch für das Zusammenspiel mit Netzwerkpartnern: Im Zweifel erzielt man gemeinsam immer viel bessere Ergebnisse als im Alleingang. Das habe ich in meiner beruflichen Laufbahn immer wieder festgestellt und das lässt sich natürlich sehr gut auf die Arbeit bei der Wirtschaftsvereinigung übertragen. 

Um das Bild, das wir nun von Ihnen bekommen haben, noch weiter zu akzentuieren, würde ich Ihnen im Folgenden gern einige Wortpaare zurufen und Sie dürfen sich entscheiden, was eher auf Sie zutrifft oder was Ihnen besser gefällt: 
Stadt oder Land?
 
Zum Leben lieber Stadt; Freizeit und Urlaub aber auch gern auf dem Land

Auto oder Fahrrad?
Fahrrad

Montag oder Freitag?
Montag. Weil man da immer wieder neu startet und das finde ich gut!

Aktivurlaub oder Strandurlaub?
Strandurlaub

Früher Vogel oder Nachteule?
Früher Vogel

Rational oder emotional?
Rational an die Sache herangehend, aber die Emotion bei der Entscheidung nicht außer Acht lassend 

Gut strukturiert oder geordnetes Chaos?
Gut strukturiert

WhatsApp oder Telefonat?
WhatsApp

Social Media oder Tageszeitung?
Tageszeitung

Schreiben oder Tippen?
Tippen

Fragen oder Antworten?
Fragen 

Kochen oder essen gehen?
Kochen

Buch oder Hörbuch?
Buch

James Bond oder Superman?
James Bond

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