Kreis Borken

Industrie 4.0: So kann's gehen! (Beispiel Grunewald)

Bocholt - Als Entwicklungspartner für Automotive- und Aerospaceunternehmen, aber auch für verschiedene andere Branchen setzt das Bocholter Unternehmen Grunewald schon seit 30 Jahren auf Digitalisierung. Der bis dato jüngste Meilenstein dieser sehr langen Digitalisierungsgeschichte ist eine Bauteilnachverfolgung. „Da wir über Standbeine in der Gusstechnik – hier insbesondere im Alu-Leichtbau –, dem Werkzeugbau und in der Automatisierungstechnik verfügen, bearbeiten wir zeitgleich immer unzählige Bauteile, Serien und Prototypen für verschiedene Kundenprojekte. Dabei den Überblick zu bewahren, ist mit herkömmlichen Mitteln extrem aufwendig und ineffizient“, erklärt Geschäftsführer Ulrich Grunewald den Hintergrund.

Blick in die Grunewald-Produktion (Foto: Grunewald)

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Den Stein ins Rollen gebracht hat letztlich ein Kunde, der sich für seine Bauteile eine Markierung mit einem Data-Matrix-Code gewünscht hatte. „Im Zuge dessen ist bei uns die Idee entstanden, dass es einen erheblichen Mehrwert für den Kunden und für uns bringen würde, wenn wir diesen Data-Matrix-Code um relevante Informationen wie Messprotokolle, Prüfberichte, Angaben zu der jeweiligen Charge und die dazugehörige Stückzahl anreichern“, beschreibt Grunewald den Ansatz. 


Entwickelt und umgesetzt haben die Bocholter das Projekt im ersten Schritt im Bereich der Aluminium-Gussteile – und zwar komplett ohne externe Hilfe. Im Vorfeld hatte das Unternehmen zwei IT-affine Fachhochschulabsolventen eingestellt, die die erforderliche Software gemeinsam mit dem IT-Leiter entwickelt haben und die das Thema auch nach der Pilotphase federführend weiter vorantreiben. Denn nach den ersten guten Erfahrungen im Bereich der Gussteile soll das System nun schrittweise auf die komplette Fertigung ausgerollt werden. Die beiden Projektleiter arbeiten dabei sehr eng mit den Teams in der Fertigung zusammen. „Das ist bei allen Digitalisierungsprozessen unabdingbar. Zum einen, weil wir den Mitarbeitern so von Beginn an vermitteln, was wir vorhaben und welche Vorteile ihnen das bringt. Zum anderen aber auch, weil wir uns keine Lösung aus dem Elfenbeinturm wünschen, sondern eine, die uns in den tatsächlichen Prozessen und bei der Verbesserung unserer Produkte hilft. Daher ist der Input unserer Kolleginnen und Kollegen, aber auch der Input von Kunden extrem wichtig“, so Grunewald.


Auch Lösungsansätze für Probleme, die sich im Prozess ergeben haben, seien so immer wieder schnell gefunden worden. Als Beispiel nennt der Unternehmer die Einbindung der Sandformen, die Grunewald zum Gießen von Aluminium-Teilen verwendet: Da Data-Matrix-Codes auf diesen Formen aufgrund von Abnutzungseffekten nicht nachhaltig funktionieren, war eine Alternative erforderlich. Und die wurde schnell gefunden: RFID-Chips. Da diese Chips per Funk angesteuert werden, können sie ohne Funktionalitätseinbußen in die Formen eingelassen werden. Die hinterlegten Daten werden per Funk automatisch in die Cloud übertragen, von wo aus sie nach der Fertigstellung des jeweiligen Gussteils direkt auf dessen Data-Matrix-Code übertragen werden. „So übernimmt das Gussteil, sämtliche Infos, die schon vor der eigentlichen Produktion hinterlegt wurden, und wir bekommen eine lückenlose Dokumentation“, verrät der Unternehmer.

Egal ob Chip oder Code, beide Komponenten dienen letztlich nur als Schnittstelle in die Cloud, in der die Daten, die den verschiedenen Teilen zugeordnet sind, gesammelt werden. Will ein Mitarbeiter ein Teil bearbeiten, scannt er den Code und die Cloud spielt ihm die dazu erforderlichen Infos über seinen Bildschirm aus. Auch Maschinen und Roboter, die an der Weiterverarbeitung beteiligt sind, werden direkt über diese Schnittstelle programmiert, sodass Grune-wald in der Summe deutlich automatisierter agiert. „Aufgrund der sehr vielfältigen Produkte, die wir zeitgleich in der Produktion haben, ergibt sich dadurch natürlich ein besonders großer Vorteil, weil wir uns an sehr vielen Stellen langwierige Abstimmungsprozesse sparen. Die Auftragsbearbeitung wird schrittweise deutlich effizienter, wir erhoffen uns weniger Ausschuss und in der Summe sollen unsere Prozesse erheblich weniger anfällig für Fehler werden“, gibt Grunewald die klare Marschroute vor. Hinzu komme, dass die Mitarbeiter mit zunehmender Laufzeit auch von sich aus immer mehr Ansätze für weitere digitale Optimierungen einbringen. „Unsere To-do-Liste wächst und wächst und auch wenn wir nicht alles auf einmal angehen können, zeigt das, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, freut sich der Unternehmer, der aufgrund seiner langen Digitalisierungs-Erfahrung ohnehin weiß, dass es besser ist, die Dinge in kleinen Schritten anzugehen. Kleinere Schritte seien finanziell besser skalierbar und der Weg zu den ersten Erfolgserlebnissen sei im Normalfall auch nicht so lang wie bei Großprojekten.


Obwohl Digitalisierung für Grunewald seit 30 Jahren auf der Tagesordnung steht, sieht der Geschäftsführer immer noch Luft nach oben. Als Visionen für die Zukunft definiert er unter anderem die komplett papierlose Produktion und die Entwicklung eines digitalen Geschäftsmodells, mit dem Grunewald die Kunden zum Beispiel über digitale Dienstleistungen und Lösungen im Umfeld der vorhandenen Produkte noch stärker an sich binden will. „An Ansätzen hapert es nicht. Im Moment scheitet es aber noch ein wenig an der Zeit und auch an der konkreten Vision. Aber ich bin mir sicher, dass wir auch das in kleinen Schritten gut auf den Weg bringen werden.“ 

 

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