Landkreis Emsland

Industrie 4.0: So kann's gehen! (Beispiel Kuipers Technologies)

Meppen - „Ohne Digitalisierung und Automatisierung sind wir nicht wettbewerbsfähig.“ Davon ist Michael Kuipers, Geschäftsführer von Kuipers technologies in Meppen, überzeugt. Das Unternehmen, das sich auf Blechbearbeitung, Baugruppenfertigung und Zerspanung von Schweißbaugruppen spezialisiert hat, hat in den vergangenen Jahren bereits wichtige Schritte in Richtung Industrie 4.0 gemacht – und arbeitet laufend an weiteren digitalen Lösungen, um schneller und effizienter produzieren zu können.

In der Produktion bei Kuipers ist zum Beispiel eine automatisierte Laseranlage im Einsatz. (Foto: Kuipers)

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Maschinenprozesse lediglich zu automatisieren, ist aber nicht der Maßstab bei Kuipers. Ziel ist es, die Anlagen intelligent zu machen. Sie sollen zum Beispiel frühzeitig falsche oder fehlerhaft produzierte Teile erkennen und die Fertigung sofort stoppen, wenn Teile Produktionsfehler aufweisen. Ein Scanner an der Maschine prüft die Bauteile und nimmt einen Abgleich mit den Konstruktionsparametern vor. „Damit verhindern wir, dass wir Komponenten für die Tonne produzieren und es zu spät auffällt“, erläutert Kuipers.

Entwickelt hat das eine Projektgruppe aus Mitarbeitern und einem Werksstudenten in Zusammenarbeit mit der Hochschule Osnabrück. Das Team, das laufend an Digitalisierungsprojekten arbeitet und dafür auch schon Fördermittel bekommen hat, automatisierte zum Beispiel eine bestehende Schleifmaschine in der Produktion mithilfe von Robotertechnik. „Die Bauteile, die die Maschine schleifen sollte, mussten vor diesem Entwicklungsschritt per Hand eingelegt werden – teils mehrere Tausend Stück am Tag. Das war natürlich eine sehr monotone Arbeit, die für Mensch und Maschine durchaus gefährlich werden konnte, wenn die Konzentration nachließ“, erklärt Kuipers. Die Projektgruppe hat daher einen Roboter an die Schleifmaschine angebaut und eine Software entwickelt, sodass der Roboter die Bauteile seither automatisiert scannt und sie selbstständig in die Maschine legt, wo sie entsprechend bearbeitet werden. Anschließend stapelt der Roboter die Bauteile wieder automatisch. „Damit ersparen wir unseren Mitarbeitern die lästigen Arbeitsschritte an der Maschine“, erläutert Kuipers, der dem Team bei der Entwicklung viel Freiraum gelassen und lediglich ein maximales Budget vorgegeben hat. „Bei diesen Dingen mische ich mich gar nicht großartig ein. Schließlich wissen meine Mitarbeiter am besten, wie eine Maschine ihre Arbeit erleichtern kann“, betont Kuipers.

Auf diese Art hat Kuipers schon einige Prozesse in der Blechbearbeitung digitalisiert. So hat das Unternehmen, das vor allem für Kunden in Europa produziert, im vergangenen Jahr für mehr als eine Million Euro eine zweite vollautomatisierte Stanz- und Nibbelmaschine angeschafft, die innerhalb von 60 Sekunden 1.600 Löcher in Bleche stanzt, Konturen formt oder Bleche prägt, graviert und entgratet. Eine Messmaschine mit optischem Sensor überprüft, ob die vorgesehenen Umformungen und Konturen auch tatsächlich eingebracht wurden. In die Produktion eingezogen ist außerdem eine 250 Quadratmeter große Roboteranlage, die automatisch Rohbleche aus dem Lager entnimmt, einer Laseranlage zuführt, auf den Bearbeitungstisch legt sowie anschließend versandfertig auf Paletten ablegt. Mit dem Roboter kann Kuipers Bauteile mit einem Gewicht bis zu 120 Kilogramm vollautomatisiert händeln – Schwergewichte, die sich von Menschenhand nur mit großem Kraftaufwand bewegen lassen. „Wir können durch die Digitalisierung also nicht nur schneller arbeiten, sondern auch deutlich gesundheitsschonender“, betont Kuipers.

Ohne einen gewissen Grad an Digitalisierung und Automatisierung wäre die Arbeit bei Kuipers also buchstäblich nur schwer möglich. Das zeigt sich auch an anderer Stelle: „Angesichts der 15.000 Palettenstellplätze in unserem Lager würden wir ohne Digitalisierung den Überblick über unsere Bauteile verlieren. Dank des ERP-Systems und der Barcode-Technik wissen wir jederzeit über den Bearbeitungsstatus und den Standort jedes Elements Bescheid“, resümiert Kuipers. Für die Mitarbeiter sei die Digitalisierung aber auch eine praktische Hilfe zur Eigenkontrolle: Sie können Produkte erst dann als „fertig“ im System melden, wenn diese auch alle Arbeitsschritte durchlaufen haben. „Das schützt den Werker davor, dass er einen Bearbeitungsschritt vergisst. Zudem liegen sämtliche Mess- und Prüfdaten digital vor und können dem Kunden per E-Mail zur Verfügung gestellt werden. Früher mussten wir diese Infos per Hand festhalten – eine nachträgliche Sichtung oder Weitergabe der Daten war damit nur schwer möglich“, erläutert Kuipers. Durch die Umstellung auf digitale Dokumente hat das Unternehmen außerdem jede Menge Papier gespart.

Den Mitarbeitern diese Vorteile klarzumachen und ihnen die Scheu vor neuer Technik zu nehmen, sei vor allem eine Frage der Kommunikation. „Wir haben unsere Belegschaft von Anfang an in alle Prozesse eingebunden. Das haben wir zum einen durch die Projektgruppe sichergestellt, in der sich Mitarbeiter aus der Fertigung engagieren. Zum anderen kommunizieren wir aber auch ganz klar, was wir mit der Digitalisierung bezwecken wollen: Wir sehen sie nicht als Tool, um unsere Mitarbeiter und ihre Fehlerquote zu überwachen, sondern um Produktionsprozesse effizienter zu machen, schneller produzieren zu können und Fehler frühzeitig abzustellen“, macht Kuipers klar. Ziel sei es, Prozesse, die hochgradig monoton oder für die Arbeitssicherheit heikel sind, zu automatisieren, wie beispielsweise Arbeiten an extrem lauten Maschinen, mit schweren Bauteilen oder sehr schneller Taktzeit. „Das bedeutet nicht, dass Arbeitsplätze wegfallen, sondern dass unsere Mitarbeiter sich auf andere Aufgaben konzentrieren können und wir in der Summe mehr Aufträge innerhalb der gleichen Zeit bearbeiten können – dies ermöglicht Wachstum trotz Fachkräftemangel. Dass diese Strategie aufgeht, zeigt unser stetiges Wachstum in den vergangenen Jahren, das ohne die Digitalisierung nicht möglich gewesen wäre“, macht Kuipers klar.

Um die Mitarbeiter schrittweise an die neue Technik heranzuführen, setzt das Unternehmen zudem auf Schulungsroboter. „Einen vier Meter hohen Roboter an einer 600 Tonnen Biegepresse zu bedienen, kann im ersten Moment schon respekteinflößend sein. Daher trainiert unser Team die Bedienung zuvor an einem kleineren Roboter, der etwa so groß wie ein Schreibtisch ist“, erklärt Kuipers. Insbesondere die junge Generation finde schnell Zugang zu der neuen Art der Maschinenbedienung.

Aber nicht nur die Arbeitsprozesse hat das Meppener Unternehmen digitalisiert. Auch das gesamte Arbeitsumfeld der 330 Mitarbeiter wird zunehmend digital gesteuert. So wird zum Beispiel die Lichtintensität in den Produktions- und Lagerhallen automatisch geregelt, sodass es unabhängig von der Tageszeit und Witterung gleichbleibend hell ist. „Damit fördern wir nicht nur das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter, sondern beugen auch Ermüdung vor“, weiß Kuipers. Für die voranschreitende Digitalisierung hat das Unternehmen aktuell übrigens das Zertifikat „Zukunftsfester Betrieb“ des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums und der DemografieAgentur bekommen.

Zukünftig will Kuipers alle digitalisierten Prozesse im Unternehmen in einem System bündeln. „Aktuell gibt es noch kein einheitliches Board, in dem alle Daten zusammenlaufen. Das würden wir gerne in den kommenden Monaten in Angriff nehmen. Wir könnten zum Beispiel schauen, welche Maschinenbauteile besonders stark belastet sind, und dementsprechend im Einkauf rechtzeitig Ersatzteile ordern – ganz im Sinne der vorausschauenden Instandhaltung“, erklärt er.

Für eine digitalisierte Produktion müsse aber auch die Infrastruktur mitspielen: „In der Region ist es zum Teil noch schwierig, cloudbasierte Maschinen miteinander kommunizieren zu lassen. Wir hinken beim Breitbandausbau einfach hinterher, auch wenn der Landkreis Emsland da schon sehr aktiv war. Es ist ärgerlich, dass wir noch nicht auf dem Stand der Technik sind, auf dem wir sein könnten“, kritisiert Kuipers, der dabei die Telekommunikationsunternehmen in der Pflicht sieht: „Die Provider sollten aktiver werden. In der Region gibt es schon ein gut ausgebautes Glasfasernetz. Aber die Knotenpunkte fehlen.“

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