Kreis Borken

„Die Direktvermarktung lohnt sich“

Stadtlohn/Heiden – Da, wo Ferro Umformtechnik die meiste Energie verbraucht, wird seit einigen Monaten nicht weit entfernt auch der Löwenanteil an Strom erzeugt: auf dem Dach des Stadtlohner Metallverarbeitungsunternehmens. Seit Herbst des vergangenen Jahres produziert eine 750 kWp Photovoltaikanlage auf den Fertigungshallen Energie aus der Sonne. Die Realisierung der Anlage hat B&W Energy aus Heiden übernommen.

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Als produzierendes Unternehmen hat Ferro täglich einen hohen Energieverbrauch. Pro Jahr benötigen die Stadtlohner rund 3,5 Millionen Kilowattstunden Strom. Die größten Stromfresser sind dabei die Fertigungsmaschinen, wie beispielweise Abkantpressen oder Laserschneidanlagen. Da vor dem Hintergrund der Energiekrise zuletzt auch die Stromkosten bei Ferro insgesamt gestiegen sind, gab es einen Handlungsbedarf für das Unternehmen: „Unser Ziel war es, möglichst viel unserer benötigten Energie kostengünstig selbst zu erzeugen“, erklärt Geschäftsführer Heinrich Dünne. Gleichzeitig spielte aber auch der Umweltaspekt für den Stadtlohner Unternehmer eine große Rolle. „Mit der Investition in die PV-Anlage möchten wir einen Beitrag zum grünen Fußabdruck und zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes leisten. Als Unternehmen sehen wir uns in der Verantwortung, die Energiewende und den Klimaschutz auf diese Weise mitvoranzutreiben“, ergänzt Dünne. 

Sichtbarer Beleg dafür sind seit neuestem die 2.054 Solarmodule auf dem Dach der Produktionsstätte. Auf einer Fläche von circa 3.500 Quadratmetern erzeugt die neue Anlage 660.000 Kilowattstunden Strom im Jahr. Das ist in etwa so viel, wie 170 Einfamilienhäuser zusammen in einem Jahr verbrauchen. Den erzeugten Strom nutzt Ferro zu 89 Prozent selbst, zum Beispiel, um die unter dem Dach der Produktionshalle laufenden Fertigungsmaschinen zu betreiben, aber auch für die Beleuchtung und die Druckluft. 

Einen Speicher hat B&W Energy nicht eingebaut, denn: „Ferro hat während der Produktionszeit tagsüber einen hohen Energiebedarf, sodass das Unternehmen den erzeugten Strom direkt verbraucht. Das ist eine gute, sinnvolle Entscheidung, die zugleich lukrativ ist“, betont Nick Weidemann aus dem Vertriebsteam bei B&W Energy, der das Projekt begleitet hat. Denn: Das Unternehmen speist den restlichen Strom über die Direktvermarktung ins Netz ein. „Auch wenn die  EEG-Vergütung in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist, können Unternehmen aus der Direktvermarktung attraktive Erlöse erzielen, weil der Preis für Strom aktuell hoch ist“, weiß Weidemann.

Vor diesem Hintergrund geht der Trend zu gewerblichen Großanlagen wie bei Ferro. „Wir planen zurzeit mehrere Multimegawattanlagen, deren Leistung bei mehr als einem Megawattpeak liegt. Dass die Anlagen damit außerhalb der Grenze für die fixe EEG-Vergütung liegen, wird weniger relevant. Durch den Kostenvorteil des Eigenverbrauchs und die höheren Erlöse für den eingespeisten Strom sind die Anlagen auch so wirtschaftlich“, erklärt Weidemann. Im vergangenen Jahr lag der Preis pro eingespeiste Kilowattstunde bei etwa 20 Cent. „Wir gehen davon aus, dass der Wert in den nächsten Jahren nicht deutlich in den einstelligen Bereich rutschen wird, sondern eher auf einem Niveau über zehn Cent verbleibt“, prognostiziert der Experte und ergänzt: „Die Direktvermarktung lohnt sich also!“

Da angesichts der hohen Stromeinkaufspreise auch der Druck auf die Wirtschaft wächst, möglichst viel Energie selbst zu produzieren, ist die Nachfrage nach PV-Anlagen bei B&W Energy in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Angesichts der unsicheren Entwicklung auf dem Energiemarkt haben viele Unternehmen den Wunsch, möglichst autark zu agieren. Angekurbelt wurde diese Entwicklung in den vergangenen Monaten zudem durch die Angst vor Versorgungsengpässen infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, wie Weidemann erklärt. Auch die trockene, sonnenreiche Witterung begünstigte die Stromerzeugung mit Solarmodulen. „2022 war ein herausforderndes Jahr für uns. Viele Unternehmen haben in den vergangenen Monaten ihren Stromeinkauf auf den Prüfstand gestellt und sich angesichts der genannten Gründe für die Investition in eine eigene Anlage entschieden. Wir haben aufgrund des Anfragebooms unsere Prozesse umgestellt und optimiert, sodass wir die Aufträge möglichst schnell bearbeiten und realisieren können. Der Trend geht zu immer größeren, komplexeren PV-Anlagen, die intelligent gesteuert und statisch entsprechend sicher konzipiert werden müssen“, gibt Weidemann einen Einblick.

Der Experte rät Unternehmen allerdings, „nicht blind zu investieren“, sondern: „Die Projekte müssen zeitnah realisierbar sein, da es jetzt schnellen Handlungsbedarf gibt“, betont er und spricht damit eine weitere Variante von Solaranlagen an: Freiflächen-PV-Anlagen, die zum Beispiel auf der „grünen Wiese“ eines Unternehmensgrundstücks oder auf Ackerflächen angelegt werden können. „Wer über eine entsprechend große Freifläche verfügt, hat zwar beste Voraussetzungen für eine leistungsstarke Anlage, aber die Baugenehmigung für Anlagen dieser Art kann durchaus auch mal mehr als ein Jahr dauern. Kurzfristig hilft das für eine zunehmend autarkere Energieversorgung also nicht weiter. Diesen Aspekt sollten Unternehmen im Blick haben“, stellt Weidemann klar.

Bei Ferro hat B&W Energy die Anlage auf den Dächern der Fertigungshallen innerhalb weniger Monate realisiert. Eine Herausforderung war dabei zum Beispiel die Kopplung zwischen Übergabestation und Einspeisepunkt. „Dafür mussten wir während des laufenden Betriebs ein Verbindungskabel quer durch die Gebäude und das Firmengelände von Ferro legen. Wichtig war dabei, dass wir alle Zertifizierungen und Anforderungen an Sicherheit und Messtechnik erfüllen“, erklärt Weidemann. Die Abstimmung zwischen Ferro und B&W Energy erfolgte dabei eng und auf dem kurzen Dienstweg. „Jeder Schritt von der Angebotsphase bis zur Fertigstellung wurde transparent kommuniziert, sodass wir jederzeit auf dem Stand der Dinge waren. Die Zusammenarbeit mit B&W Energy verlief sehr professionell“, lobt Ferro-Geschäftsführer Dünne.

Rund eine halbe Million Euro hat das Stadtlohner Unternehmen in den Aufbau der PV-Anlage investiert. Geld, das aus Sicht von Dünne auch langfristig gut angelegt ist: „Neben den eingesparten Energiekosten und unserer Verantwortung für die Umwelt möchten wir damit ein nachhaltiges Zeichen für unsere 220 Mitarbeitenden setzen. Den CO2-Ausstoß kann jeder auch im privaten Umfeld verringen. Wir fördern das, indem wir zum Beispiel Fahrgemeinschaften anregen oder ein Job-Rad zur Verfügung stellen.“

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