Unternehmens­kommu­nik­ation - Unerbetenes Feedback

Ob Jahreszielgespräch, projektbezogen oder im Smalltalk zwischen Tür und Angel: Feedback zu geben, gehört für Führungskräfte zum Arbeitsalltag dazu. Aber wie sieht das mit unerbetenem Feedback aus? Dieser Frage widmet sich Dr. Markus Kiefer, Professor für Allgemeine BWL mit dem Fokus auf Unternehmenskommunikation an der FOM Hochschule, in seiner Kolumne.

Lieber Schweigen oder es doch aussprechen? Diese Frage stellt sich bei unerbetenem Feedback.

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Feedback geben ist eine heikle Sache. Klar, es wird heute als fester Bestandteil einer offenen Führungskräftekommunikation schon fast gebetsmühlenhaft gefordert. Führungskräfte sollen es mehr denn je und häufiger denn je geben. Und sie sollen sich auch selbst kritischem Feedback ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ihrer Teams stellen. Das allein verlangt schon eine Menge Mut, Souveränität, Feingefühl und Formulierungskunst – von allen Beteiligten. Von Feinkenntnissen in Bezug auf die Besonderheiten des Feedbackgebens im Unternehmens- und Organisationszusammenhang einmal ganz abgesehen. Das alles betrifft aber Feedbacks in einem Rahmen, wo es erwartet wird, wo es verlangt wird. Wo es vielleicht sogar schon normierter Teil einer Regelkommunikation wird.

Wie aber verhält es sich mit unerbetenem Feedback? Unabhängig davon, ob im privaten oder beruflichen Kontext, stellt sich die Frage: Soll man es überhaupt geben? Feedback berührt, vor allem wenn es Grundsätzliches anspricht, immer auch sehr deutlich die Ebenen von Beziehungen und Emotionen. Da kann schon ein Halbsatz Irritationen auslösen. In der Fach- und Ratgeber-Literatur ist die Antwort auf diese Frage ziemlich eindeutig. Unerbetene Ratschläge sollte man nicht geben. Sondern immer erst dann, so sagt vor allem die Psychologie, wenn eine betroffene Person eigene Defizite spürt, sie als hinderlich oder schädlich empfindet und dann um Hilfe per Feedback bittet. Die Person gibt somit deutlich und verbal zu erkennen, dass eine kritische Rückmeldung ausdrücklich erwünscht ist.

Ich verstehe diese Position der Psychologie durchaus. Es ist, sozusagen, die sichere Karte. Allerdings trifft sie nach meiner Lebenserfahrung oft nicht die Realität. Sie setzt nämlich voraus, dass eine betroffene Person die Fähigkeit und den Mut hat, um ein dringend nötiges Feedback zu bitten – und das dann auch noch adäquat sprachlich in eine Bitte kleiden zu können. Viele Menschen können das aber gar nicht. Ihnen fehlen alle Voraussetzungen. Vielleicht auch, weil sie völlig introvertiert, schüchtern oder ängstlich sind. Sie kommen gar nicht über die Hürde der Bitte oder Frage hinweg – obwohl sie es gern möchten. Und manchmal ist es auch die fast greifbare Scheu, sich vor einem älteren und erfahrenen Profi eine vermeintliche Blöße zu geben.

Ich habe mir daher im Lauf der Jahre abgewöhnt, die reine Lehre der Psychologie zu befolgen. Im Gegenteil versuche ich, wenn ich in meiner Tätigkeit als Hochschullehrer, als Dozent oder als Coach auf solche Menschen treffe, mein volles Empathie-Potenzial in solche Situationen einzubringen. Und wenn ich spüre, dass die Bitte meines Gegenübers um Feedback nicht raus kann, obwohl sie raus will, dann mache ich es: Ich gebe unerbetenes Feedback. Bislang hat das noch nie erkennbare Schäden produziert. Aber manches geheilt. Ich werde meine Haltung beibehalten.
 

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