Gewerbesteuer | Hinzurechnung vermeiden

Das Bürogebäude gemietet, die Werkshalle gepachtet, der Fahrzeugpark geleast – die Kosten dafür spielen für Betriebe auch steuerlich eine wichtige Rolle. Wurden diese für die Gewerbesteuer bislang noch anteilig dem Gewinn zugerechnet, hat die aktuelle Rechtsprechung nun im Sinne der betroffenen Unternehmen eine neue Richtung aufgezeigt. Die Finanzverwaltung hat dazu einen neuen Erlass herausgebracht, der weitreichende Folgen haben kann. Welche, erklären Steuerberaterin Pia Wolters, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Tim Slaba sowie Steuerberater und Rechtsanwalt Berthold Brombach von der Heisterborg Steuerberatungsgesellschaft in Stadtlohn für Wirtschaft aktuell.

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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bereits in mehreren Urteilen zur Hinzurechnung von Mieten Stellung genommen. Die Finanzverwaltung hat jüngst zumindest für einen Teil der Unternehmen Rechtsklarheit geschaffen und einige BFH-Urteile zu diesem Thema in einen gleichlautenden Ländererlass übernommen.

 

GEWERBESTEUERGESETZ § 8 NR. 1 D) E) HINZURECHNUNGEN
Hintergrund: Um den Gewerbeertrag zu ermitteln, werden gemäß des Gewerbesteuergesetzes § 8 Nr. 1 d) e) Hinzurechnungen dem Gewinn aus Gewerbebetrieb unter weiteren Voraussetzungen wieder ein Viertel von einem Fünftel der Miet- und Pachtzinsen einschließlich Leasingraten für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern sowie ein Viertel der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, hinzugerechnet. Das setzt zum einen voraus, dass sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Zum anderen müssen sie den Freibetrag von 200.000 Euro übersteigen. Die gewerbesteuerliche Hinzurechnungsvorschrift soll Betriebe, die Wirtschaftsgüter mieten, mit den Betrieben gleichstellen, die eigene Wirtschaftsgüter nutzen.

 

ANSICHT DES BFH
Die Hinzurechnungsvorschrift verlangt folgendes: Bei den angemieteten Wirtschaftsgütern muss es sich zunächst um Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens handeln, die im Eigentum eines anderen stehen – also um fiktives Anlagevermögen des Unternehmens. Nach der Rechtsprechung des BFH soll dabei entscheidend sein, dass das Unternehmen derartige Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb benötigt. Eine Zuordnung zum (fiktiven) Anlagevermögen scheidet danach jedoch aus, wenn das Unternehmen die angemieteten oder gepachteten Wirtschaftsgüter nicht ständig für den Gebrauch in seinem Betrieb hätte vorhalten müssen. Das trifft zu, wenn ein Betrieb diese jeweils nur im Zusammenhang mit einem konkreten Produkt und daher „flüchtig“ benötigt. (Fiktives) Anlagevermögen liegt beispielsweise laut BFH bei Baumaschinen und Zubehör für Baustelleneinrichtungen, auch bei Kameraanlagen, Beleuchtungsgeräten, Lampen und sonstigem Filmequipment, soweit sie der Herstellung von Produkten dienen, vor.
Weiteres Tatbestandsmerkmal: Die Mieten müssen den Gewinn gemindert haben. Der BFH hat schon länger die Meinung vertreten, dass eine Hinzurechnung von Aufwendungen unterbleibt, die am Bilanzstichtag als Teil der Herstellungskosten eines materiellen Wirtschaftsguts des Anlage- oder Umlaufvermögens aktiviert wurden. Denn insoweit fehlt es an der erforderlichen Gewinnabsetzung. 
Bis zur Entscheidung des BFH vom 30. Juli 2020 hätte vermutet werden können: Eine Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen hat spätestens zu erfolgen, wenn die zu Herstellungskosten aktivierten Wirtschaftsgüter abgeschrieben oder ausgebucht werden. Schließlich kommt es dann immerhin zu einer Gewinnminderung. Der BFH sieht das jedoch anders. Er ist der Ansicht, dass die einmal aktivierten, ursprünglichen Mietaufwendungen inklusive Mietzinsen gänzlich ihren ursprünglichen Charakter ändern. Sie seien fortan als Herstellungskosten zu qualifzieren und damit weder begrifflich noch wirtschaftlich von der Hinzurechnungsvorschrift des Gewerbesteuergesetzes erfasst. 
Von besonderer Relevanz erscheint die Ansicht des BFH, dass eine hypothetische Betrachtung der Herstellungskosten genügen soll. Danach reicht es aus, dass die Miet- und Pachtzinsen als Herstellungskosten des Unternehmens aktiviert worden wären, wenn sich das Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden hätte. Auf eine tatsächliche Aktivierung am Bilanzstichtag kommt es nach Aussage des BFH ausdrücklich nicht an. Diese Ansicht hat die Finanzverwaltung in der Vergangenheit nicht geteilt. Danach sind also auch solche Aufwendungen nicht mehr hinzurechnungspflichtig, die in unterjährig ausgeschiedene Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmens eingehen.

ANSICHT DER FINANZVERWALTUNG
Die Finanzverwaltung war bisher in ihren gleichlautenden Ländererlassen nicht darauf eingegangen, wie derartige Aufwendungen zu behandeln sind – auf solche, die zur Herstellung von unterjährig ausgeschiedenen Wirtschaftsgütern des Unternehmens angefallen waren. Als Reaktion auf die Rechtsprechung des BFH wurde nun der gleichlautende Ländererlass überarbeitet. Demnach soll in allen Fällen bereits unterjährig ausgeschiedener Wirtschaftsgüter des Unternehmens eine Hinzurechnung für entsprechende Aufwendungen unterbleiben – für solche, die als Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktiviert worden wären, wenn sich das Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden hätte. Das entspricht nunmehr der Rechtsprechung des BFH.

PRAXISBEISPIELE
Eine Anwaltskanzlei mietet Kanzleiräume. Die Aufwendungen gehen (teilweise) in zu aktivierende fertige bzw. unfertige Leistungen ein und sollten insoweit nicht mehr hinzurechnungspflichtig sein.
Eine Firma, die Möbel herstellt, mietet Büro-, Lager- und Produktionsräumlichkeiten an. Die Aufwendungen gehen zumindest in Teilen (zumindest für Lager und Produktion) in zu aktivierende fertige bzw. unfertige Erzeugnisse ein und sollten in dieser Höhe nicht mehr hinzurechnungspflichtig sein.
Ein Bauunternehmen mietet Geräte und Spezialwerkzeuge an, um diese zur Herstellung von Aufträgen zu verwenden. Die Aufwendungen gehen in zu aktivierende fertige bzw. unfertige Erzeugnisse ein und sollten nicht mehr hinzurechnungspflichtig sein.

FAZIT
Die neue Rechtsprechung und der geänderte Ländererlass bieten Unternehmen erweiterte Möglichkeiten, der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung zu entgehen. Wenn auch seit dem Erhebungszeitraum 2020 der Freibetrag von 100.000 Euro auf 200.000 Euro erhöht wurde, dürften nicht wenige Unternehmen künftig und auch rückwirkend in allen offenen Fällen von dieser Rechtsauffassung profitieren. Wichtig ist es, im eigenen Betrieb – unabhängig davon, ob es sich um ein produzierendes oder dienstleistendes Unternehmen handelt – herauszufinden, ob es einen Zusammenhang zwischen Miete oder Pacht und hergestelltem Produkt oder erbrachter Leistung gibt. 

Weitere Fotos

Tim Slaba: Steuerberater, Wirtschaftsprüfer Heisterborg

Berthold Brombach: Rechtsanwalt, Steuerberater, FA StR, FA HuGesR Heisterborg

Pia Wolters: Steuerberaterin Heisterborg

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