Fragen, die sich Gründer zu ihrer Selbstorganisation stellen sollten, sind vor allem an die eigene Erwartungshaltung geknüpft: Wie lange brauche ich für diese Aufgabe? Welches Tagesziel ist realistisch? Welche Deadlines gibt es? Zu welcher Zeit bin ich am produktivsten? Und: Welche Aufgabe kann und sollte ich an externe Partner outsourcen? „Insbesondere, wenn ein finanzielles Grundgerüst steht und regelmäßig Umsätze verzeichnet werden, sollte man darüber nachdenken, welche Aufgaben abgegeben werden könnten, um den eigenen Workload zu verringen“, empfiehlt Soppa.
Arbeitsvolumen realitisch einschätzen
Eine weitere Herausforderung für Gründer sieht die Psychotherapeutin darin, das vorhandene Arbeitsvolumen realistisch einzuschätzen. Wer seine finanziellen, zeitlichen und personellen Ressourcen nicht überblickt, ein hohes Kontrollstreben hat und gleichzeitig den typischen Druck in der Gründungsphase, so viele Kunden wie möglich bedienen zu wollen, verspürt, dem wird es schwerfallen, Aufgaben und Aufträge abzulehnen. „Und so begeistert man von einer Auftragsanfrage auch ist, entscheidend ist, den unternehmerischen Fokus nicht aus den Augen zu verlieren“, betont Soppa.
Sich dabei selbst Grenzen zu setzen, etwa für Pausen oder den Feierabend, falle Gründern zu Beginn schwer. „Es gibt schließlich immer etwas zu tun und die Arbeitsmotivation ist bei Gründern besonders hoch – eben weil die Aufgaben durch die typische Anfangseuphorie überwiegend viel Spaß machen und man schnell in einen Arbeitsflow kommt“, weiß die Coachin. Hinzu kommen neue Bereiche – Marketing, Buchhaltung, Kundenakquise –, in die sich Gründende zwangsläufig einarbeiten müssen, weil in der Regel zunächst noch die entsprechenden Kompetenzen fehlen, so Soppas Erfahrung. Die sich daraus ergebende unternehmerische Verantwortung werde umso größer, je mehr Mitarbeitende beschäftigt werden. „Das kann ein großer Stressfaktor und der Grund dafür sein, warum es jemand nicht schafft, mit gutem Gewissen Feierabend zu machen“, verdeutlicht Soppa.
Absage an „Work-Life-Balance“
Dass ein klarer Cut zwischen Arbeits- und Freizeit in einer digitalisierten und somit stets Verfügbarkeit suggerierenden (Arbeits-)Welt ohnehin nicht einfach ist, ist auch der Psychotherapeutin bewusst. Dem geläufigen Begriff „Work-Life-Balance“ erteilt sie daher eine klare Absage: „Trennscharf waren die Grenzen noch nie, weil die Arbeit für viele auch immer Teil eines erfüllten Lebens ist.“ Wichtig sei deshalb, Routinen zu implementieren, mit denen es sich – zumindest für ein paar Stunden – von der Arbeit gut abschalten lässt und die Freiraum für das Private schaffen. Sport machen, Freunde treffen, Spazieren gehen, lesen – was am besten passt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Allerdings sei es am effektivsten, mit Sport Stress abzubauen. „Der Körper schüttet in Stresssituationen die Hormone Cortisol und Adrenalin aus – er ist buchstäblich in einem urinstinktiven Kampfmodus. Um da herauszukommen und diese Hormone abzubauen, wird man am besten körperlich aktiv, beispielsweise durch Bewegung oder progressive Muskelentspannung“, rät die Coachin, die dazu regelmäßig Workshops veranstaltet. Ein weiterer Tipp: Auch bei Freizeitaktivitäten nicht versuchen, möglichst viele Dinge gleichzeitig zu machen. Also: Beim Joggen keinen Podcast hören, beim Serien gucken keine E-Mails abrufen. Lieber das Smartphone in den Flugmodus schalten und sich auf eine Tätigkeit konzentrieren. Weg vom Multitasking und räumliche Distanz schaffen, so Soppa.
Bereits einfache Techniken können helfen, den Geschäftsalltag zu organisieren, To-dos zu priorisieren und fokussiert zu bleiben: zum Beispiel die Einordnung in sogenannte ABC-Aufgaben, priorisiert je nach Wichtigkeit und Dringlichkeit. Oder: „Eat the frog first“, also ungeliebte Aufgaben direkt als erstes zu erledigen, anstatt vor sich her zu schieben. Aber auch: wichtige, anstrengende Aufgaben am Vor- oder Nachmittag erledigen, Routine-Aufgaben wie die Beantwortung von E-Mails ins Mittagstief legen. „Zu welcher Tageszeit die Leistungs- und Produktivitätskurve am höchsten ist, muss aber letztlich jeder für sich selbst herausfinden“, räumt Soppa ein. Projektmanagementprogramme können dabei helfen, grundsätzlich den Überblick zu bewahren, wie weit welche Aufgaben erledigt sind. Slots von 60 bis 90 Minuten, in denen konzentriert ohne Ablenkung gearbeitet wird, empfiehlt die Coachin dabei zur Zeiteinteilung. Danach sollte eine zehnminütige Pause folgen. „Raucher profitieren in dieser Hinsicht von ihrer Sucht, wenn sie regelmäßig ihren Arbeitsplatz verlassen, um sich draußen eine Zigarette anzuzünden. Die gesundheitsschädlichen Aspekte des Rauchens einmal außer Acht gelassen, kommen sie so an die frische Luft und atmen dabei tief ein und aus. Das wirkt beruhigend“, weiß Soppa.
Seminare und Mentorships
Abseits von Organisationstools und Pausen rät die Coachin Gründern aber auch dazu, sich regelmäßig und ehrlich selbst zu reflektieren, möglicherweise fehlende Kompetenzen aufzuspüren sowie sich mit Gleichgesinnten oder erfahrenen Unternehmern auszutauschen. „Seminare für Gründer oder die Hilfe im Rahmen eines Mentorships von erfahrenen Unternehmern, die den Weg in die Selbstständigkeit schon einmal gegangen sind, können unterstützend helfen. Schließlich muss man nicht die gleichen Fehler, die andere schon gemacht haben, nochmal selbst machen“, empfiehlt Soppa.
Rollenverteilung
Über Aufgaben, Kompetenzen und Rollenverteilung zu sprechen, sei insbesondere dann wichtig, wenn mehrere Personen gemeinsam gründen. „In meiner Beratung hatte ich zuletzt einen Fall, bei dem von ursprünglich drei Gründern nur noch einer übrig geblieben ist. Der Grund dafür war, dass weder die Kompetenzen noch die Erwartungshaltungen der drei klar kommuniziert waren und somit das gemeinsame Ziel fehlte“, erinnert sich Soppa und nennt ein Beispiel: „Manchmal agiert ein Gründer nach dem Pareto-Prinzip, um mit minimalem Aufwand maximale Effektivität zu erzielen, während der andere Gründer perfektionistisch veranlagt ist und selbst kleine Ecken und Kanten nicht stehen lassen kann. Da sind Spannungen und Konflikte schon vorprogrammiert.“
Bei all den Versuchen, möglichst vorausschauend und organisiert zu agieren, sei aber auch klar: „Es gibt immer mal wieder schlechtere Zeiten und unvorhergesehene Entwicklungen, die erfahrene Unternehmer wie Gründer gleichermaßen durchstehen müssen. Das gehört zum Unternehmertum dazu und dafür muss man einfach der Typ sein“, betont die Psychotherapeutin.
*von der Redaktion frei erfundener Name