Herr Schlichtmann, wie erleben Sie die Lage in der Baubranche derzeit?
Der private Wohnungsbau ist mit Blick auf die hohen Baukosten und Zinsen regelrecht zusammengebrochen. Da wir unsere Kernkompetenz aber in den Bereichen Gewerbe und Industrie, Landwirtschaft sowie Reithallen und Ställe haben, ist die Nachfrage dank dieser breiten Aufstellung bei uns nach wie vor gut – auch wenn sich die Bereiche unterschiedlich entwickeln. Momentan ist durch die unsichere politische Planungssituation in der Landwirtschaft nicht ganz so viel los, somit konzentrieren wir uns mehr auf den Gewerbe- und Industriebau. Aber auch in diesem Bereich warten viele Unternehmer noch ab, wie es auf der politischen Ebene weiter geht. Der Vorteil unseres Geschäftsmodells ist, dass uns der Materialmix flexibel macht. Je nach den Anforderungen des Bauvorhabens und Kunden arbeiten wir mit klassischen Stahlkonstruktionen für den Hallenbau, aber auch mit Leimbinder- oder Betonkonstruktionen, Betonfertigteilen oder auch Nagelplattenbindern. Unsere Erfahrungen mit den verschiedenen Bauweisen und Konstruktions-Werkstoffen kommen uns dabei zugute.
Die für die Region so typische breite Aufstellung ...
... genau! Das macht uns in der Region aus: Unser Mittelstand ist so stark, weil der Branchenmix stimmt. Weil viele Unternehmen wirklich innovativ und flexibel auf äußere Einflüsse reagieren. Wir Münsterländer lassen uns nicht so schnell unterkriegen. Sie kennen das: Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere. Wir selbst haben in unserer dreißigjährigen Firmengeschichte so manch einen Dämpfer puffern müssen. Da war es für uns immer der richtige Weg, breit aufgestellt zu sein: Unsere Kunden stammen nicht nur aus dem Gewerbe- oder Industriebau, sondern auch aus dem Agrarbau. Das Münsterland ist schließlich sehr landwirtschaflich geprägt. In den vergangenen 15 Jahren konnten wir uns auch in der Pferde- und Reiterbranche im Bereich Reitanlagen, Reithallen und Pferdeställe etablieren.
Die großen externen Faktoren wie Preissteigerungen bei den Baukosten, bürokratische Hürden oder Fachkräftemangel lassen sich allerdings kaum regional lösen. Wo drückt denn der Schuh besonders?
Ganz wichtig ist, dass die Politik wieder verlässlich werden muss, damit Planungssicherheit entsteht. Potenzielle Bauvorhaben dürfen nicht daran scheitern, dass kurzfristig eine neue Verordnung, Vorgabe oder Richtlinie herausgebracht wird. Wir möchten für unsere Kunden eine sichere Kalkulation aufstellen können, mit der wir planen und arbeiten können und mit der auch der Kunde seine Finanzierung und seine Zukunft planen kann. Der Wust an Bürokratie, vom Arbeitsschutz bis zur Qualitätssicherung, bindet einfach zu viel Arbeitskraft und macht oft keinen Sinn, sondern hemmt die Leistungsfähigkeit und Produktivität. Es kann nicht alles von oben reguliert werden. Wir müssen wieder lernen, auch auf unseren gesunden Menschenverstand zu vertrauen. Wir müssen das Mitdenken wieder fördern! Denn Verantwortungsbewusstsein und Identifizierung mit dem eigenen Unternehmen ist tägliche Qualitätssicherung. Natürlich geht es nicht völlig ohne Richtlinien, aber die Regulatorik ist mittlerweile ausgeufert.
Und beim Fachkräftemangel?
Mit Blick auf den demografischen Wandel und den Facharbeitermangel muss die Politik alles daran setzen, möglichst viel Arbeitskraft zu binden und zu erhalten. Es muss einfacher sein, ausländische Mitarbeiter zu fördern, um sie möglichst schnell ins Arbeitssystem zu integrieren und Arbeit ist noch immer der beste Weg für Integration.
Wie wirken sich diese Herausforderungen auf die Bauvorhaben aus?
Wir spüren schon ein Umdenken, Ressourcen zu erhalten, auch um Baukosten zu sparen und die Umwelt zu schonen. Für uns ist Nachhaltigkeit beim Bauen schon lange ein Thema, aber wir können dem Kunden letztlich auch nur Möglichkeiten für eine Sanierung aufzeigen. Entscheiden muss er das dann selbst.
Welche Rolle spielt denn Nachhaltigkeit im Gewerbebau?
Wir sind selbst mit dem Wiederaufbau von gebrauchten Hallen gestartet, doch das ist heute oft teurer als ein Neubau. Möglich und auch von Kunden gewünscht ist es aber, eine Hallenkonstruktion, meist Stahlhallen, abzubauen und an anderer Stelle neu zu errichten. Oder vorhandene Hallen mit neuer Wand- und Dacheindeckung zu sanieren. Auch können vorhandene Gebäude erweitert oder aufgestockt werden. Um große Spannweiten zu überwinden, eignen sich Leimbinderkonstruktionen, wobei wir auch da auf Nachhaltigkeit besonderen Wert legen und hiesige Gehölze vorziehen.
Im nachhaltigen Hallenbau kommt es auch auf einen effizienten Umgang mit anderen Ressourcen an, zum Beispiel einem sparsamen Verbrauch von Energie und Wasser. Bei der Planung sollten Dämmwerte, Licht- und Raumkonzepte eng aufeinander abgestimmt sein.
Welche besonderen oder ungewöhnlichen Projekte haben Sie zuletzt realisiert?
Im Bereich Biogas- und Bio-Methananlagen haben wir in den vergangenen Jahren einige Projekte realisiert, unter anderem eine der größten und modernsten Biomethananlagen Europas für das Unternehmen Nordfuel in Friesoythe bei Bremen. Das Werk dort profitiert von den Erfahrungen, die der Projektentwickler Revis aus Münster mit der Verwertung von Wirtschaftsdünger, beispielsweise in einem Werk in Dülmen, gemacht hat. Das haben wir übrigens auch errichtet. Im Bereich Biogassektor verfügen wir mittlerweile über viel Erfahrung.