Naturwerk Borken | Energieautark mit Hanf und Holz

Für den Unternehmer Martin Kamperschroer (Naturwerk, Borken) ist es weniger Geschäft als eine echte Herzensangelegenheit: Vor etlichen Jahren hat sich der gelernte Meister im Zimmerer-Handwerk auf eine regelrechte Mission begeben. Er will das Baugewerbe nachhaltig verändern – und das nicht im übertragenden Sinne, sondern buchstäblich.

Martin Kamperschroer vor Ort bei einem Hanf-Lieferanten | Foto: Naturwerk Borken

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Im Zentrum seiner Mission stehen die Naturbaustoffe, die Kamperschroer seit gut sieben Jahren unter dem Markennamen „Naturwerk“ entwickelt, produziert und vermarktet. „Nachdem ich jahrelang selbstständig im Holzbau unterwegs war, ist in mir die Erkenntnis gereift, dass die Art, wie heute Gebäude gedämmt werden, nicht sinnvoll ist. Der Wirkungsgrad herkömmlicher Dämmmaterialien ist einfach nicht hoch genug. So lässt sich keine Energie einsparen. Insbesondere dann nicht, wenn man die sehr energieintensive Herstellung dieser Stoffe mit in Rechnung stellt. Wenn diese Dämmstoffe dann auch noch nass werden – was leider auch immer wieder vorkommt – verpufft ihre Wirkung nahezu komplett“, erläutert Kamperschroer.
Auf der Suche nach Alternativen hat der Borkener in den vergangenen Jahren eine ganze Produktfamilie mit Naturbaustoffen entwickelt. All seine Produkte sind fast vollständig wiederverwertbar und sie setzen sich auch in ihrer Wirkungsweise zum Teil deutlich von den in der Regel chemisch produzierten Standard-Baustoffen ab. Im Zentrum stehen dabei zum einen sogenannte mineralische Holzbinder, die zu einem großen Teil aus Wald-Holzresten bestehen. Die Holzbinder können zu Wandelementen, Estrich und neuerdings auch zu Trockenbauplatten verarbeitet werden, die wie Gipskartonplatten genutzt werden können. Darüber hinaus hat sich Kamperschroer in einem zweiten großen Produktbereich auf Dämmsysteme aus Hanf spezialisiert.
Die Wirkungsweise dieser Basisprodukte hat der Unternehmer bereits 2015 anhand eines praktischen Versuchs im Verbund mit der Fachhochschule Münster unter Beweis gestellt:

„Noch bevor wir mit den ersten Produkten in Serie gingen, haben wir damals mit unseren Naturwerkstoffen ein komplettes Musterhaus gebaut. Das Ergebnis hat mich zu 100 Prozent bestätigt: Der U-Wert, also der Wärmedurchgangskoeffizient des Musterhauses, lag bei 0,13 und damit sogar noch 0,2 Punkte unter dem Wert eines Passivhauses. Hinzu kommen ein spürbar angenehmeres Raumklima und eine sehr gute Raumakustik, weil die natürlichen Baustoffe auch eine enorme schalldämmende Wirkung haben“, betont Kamperschroer, der aber noch auf einen anderen Mehrwert hinweist: Seine natürlichen Baustoffe sind zu 100 Prozent diffusionsoffen. Für den Fall, dass sie nass werden, können sie daher relativ schnell – ohne Zutun und unter normalen klimatischen Bedingungen – wieder trocknen. „Hätte ein solches Haus bei der Flutkatastrophe im Ahrtal gestanden, wäre es in kurzer Zeit wieder bewohnbar gewesen. Auch Schimmelbefall gibt es nicht. Und: Anders als herkömmliche Dämmstoffe behält das Hanf sogar im nassen Zustand einen Großteil seiner Dämmwirkung. Ähnlich positiv sind die Eigenschaften der Holzbinder im Brandfall, sie sind so gut wie nicht entflammbar.“
 

In den vergangenen sieben Jahren habe der Unternehmer seine Produkte praktisch ständig weiterentwickelt, wie er betont. „Im Vergleich zu unserem Musterhaus sind wir heute bereits um ein Vielfaches besser“, erklärt er nicht ohne Stolz. Einen großen Schritt nach vorn hat er zum Beispiel gemacht, indem er seinen Holzbindern seit einiger Zeit selbstproduzierte Bio-Kohle beimengt. „In Kombination mit einer Infrarotheizung, die wie Sonnenstrahlen nicht die Luft, sondern die Gegenstände und Körper in einem Raum aufheizt, schaffen diese Carbon-Holzbinder einen enormen Mehrwert. Erstens, weil sie die gewonnene Wärme noch länger speichern können, und zweitens, weil die Kohlepartikel die Infrarotstrahlen auch wieder in den Raum reflektieren, sodass sich der Wirkungsgrad der Heizung weiter erhöht“, erläutert der Entwickler. Darüber hinaus sind die Holz-Carbon-Binder sehr schlechte Wärmeleiter, sodass sie auch in heißen Sommern die Wärme kaum an den Innenraum weitergeben. Ebenfalls neu entwickelt hat der alternative Baustoff-Erfinder ein Baumodul-System auf Basis der Holz-Carbon-Binder. Die Module lassen sich über eine Art Stecksystem zusammenfügen und über Pappröhren in der Mitte der einzelnen Module wird nach der Platzierung Beton eingegossen, der der Konstruktion noch mehr Stabilität verleiht. 
Mit dem Ziel, die bestmögliche Wirkung aus seinen Produkten herauszuholen, hat sich der Unternehmer, der sich auch seit mehr als 25 Jahren intensiv mit Holzvergasung in Blockheizkraftwerken beschäftigt, mit verschiedenen Technologien beschäftigt. Seine Erkenntnis: In Kombination mit Photovoltaik, einem Infrarotheizsystem sowie einer Be- und Entlüftung auf Solarthermie-Basis schaffen die alternativen Baustoffe die Grundlage für regelrechte Energie-Speicherhäuser. „Auch die Kosten für ein solches Haus halten sich in Grenzen, weil deutlich weniger Material verbaut werden muss als das in herkömmlichen Gebäuden heute der Fall ist“, so Kamperschroer.

Auch für die Nachrüstung bestehender Gebäude hat der Borkener verschiedene Ansätze gefunden. Zum Beispiel mit der Entwicklung seiner Trockenbauplatten. Die Platten lassen sich genau wie jede Standard-Gipskartonplatte zuschneiden, mit dem Tacker befestigen und verputzen. „Anders als ihre Gegenstücke aus Gips verfügen meine Platten jedoch über einen Holzbinder-Carbon-Kern. Man kann sie auch im Außenbereich verwenden und im Verbund mit einer Hanf-Dämmung können sie auch in Altbauten eine große dämmende und wärmespeichernde Wirkung entfalten“, betont der Unternehmer, der ganz aktuell noch eine weitere Produktneuheit für die Altbausanierung entwickelt hat: „Es ist mir gelungen, aus der sogenannten Fein-Schäbe der Hanf-Pflanze einen Baustoff herzustellen, der ganz ähnlich wie Styrodur eingesetzt werden kann. Das Material kann sogar als Einblasdämmung verwendet werden. Nach dem Einblasen versteinert es sich, sodass auch ein altes Haus zum echten Speicherhaus werden kann“, freut sich der Erfinder, der bei all dem vor allem die Umwelt im Blick hat. „Das Klima spielt verrückt und ganz wird sich das Rad schon jetzt nicht mehr zurückdrehen lassen. Umso wichtiger ist es, dass wir endlich aufstehen und die Energiewende mit Vollgas vorantreiben. Klar ist doch: So wie jetzt kann es nicht weitergehen und das Baugewerbe muss dabei vorangehen“, ist der Borkener überzeugt.

Auch vor diesem Hintergrund will Kamperschroer seine Produktion nun ausweiten. Nachdem er schon seit Jahren mit kooperativen Partnern eine Produktionslinie in Tschechien betreibt, baut er aktuell zusammen mit einem Geschäftspartner in Emsdetten einen weiteren Produktionsbetrieb auf. Zudem ist er im Gespräch mit Hanfbauern aus der Region und praktisch ständig auf der Suche nach Baustoffhändlern, die das Naturwerk-Portfolio in ihr Sortiment aufnehmen. Auch für Unternehmen, die Interesse daran haben, seine Produkte zu fertigen, ist Kamperschroer immer offen. „Je mehr desto besser“, stellt er klar.

 

 

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