Enapter | „Wir müssen technologieoffener werden“

Auf dem Weg von fossilen Energieträgern hin zu regenerativen Energiequellen spielt Wasserstoff eine große Rolle. Die Herstellung ist bislang allerdings noch aufwendig und die Produktion der dafür benötigten Elektrolyseure vergleichsweise teuer. An diesen Stellschrauben dreht der börsennotierte Hersteller Enapter in Saerbeck.

Sebastian-Justus Schmidt, Gründer und CEO von Enapter | Foto: Enapter

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Zurzeit produziert das Unternehmen mehrere Hundert Geräte ausschließlich im italienischen Pisa – noch. Denn im kommenden Jahr soll die Produktion am neuen Enapter-Campus in Saerbeck starten. Mit dem Standort will das Unternehmen in die Massenproduktion von Elektrolyseuren einsteigen. „Wasserstoff ist als Energieträger heute schon vielseitig einsetzbar und fängt an, sich zu etablieren. Aber wie das immer bei neuen Technologien ist: Anfangs gibt es Skeptiker. So wie Tesla zu Beginn für die Idee, ausschließlich Fahrzeuge mit Elektromotor zu bauen und damit den Automobilmarkt zu revolutionieren, belächelt wurde, geht es uns heute mit dem Wasserstoff“, erklärt Sebastian-Justus Schmidt, Gründer und CEO von Enapter. 
Der Unternehmer hat eine klare Vision: Er möchte mit seinem Team bis 2050 für zehn Prozent der weltweiten Produktion von Wasserstoff-Elektrolyseuren verantwortlich sein. „Bis dahin müssen wir noch viel Überzeugungsarbeit leisten und die Produktion wettbewerbsfähig machen“, betont Schmidt. Wichtig sei, dass sich die Energieerzeugung mit Wasserstoff skalieren, also auf jeden Bedarf anpassen lässt. „Mit unserem Baukasten-System ist das möglich, sodass wir diese Voraussetzung bereits erfüllen. Wir können bis zu 420 kleine Elektrolyseure in einem Gerät mit einer Leistung von einem Megawatt zusammenfassen und die Einheiten individuell ansteuern“, erläutert Schmidt.

Bis heute hat Enapter rund 300 Kunden in 52 Ländern mit insgesamt 3.000 Geräten beliefert. Zum Einsatz kommen die Elektrolyseure in verschiedenen Bereichen: in der Glasherstellung, in der Raumfahrtindustrie und sogar in der Antarktis, aber auch in herkömmlichen Hausanlagen. „Der große Vorteil ist, dass die Stromerzeugung mit Wasserstoff unabhängig von Temperatur und Wetter möglich ist“, so Schmidt. 
Um die Kosten für die Serienproduktion zu senken und in die Massenproduktion überzugehen, setzt Enapter bei den Wasserstoffgeneratoren auf die sogenannte Anionenaustauschmembran-Tech­nologie (AEM). „Im Vergleich zu anderen Modellen benötigen unsere Elektrolyseure kein Iridium oder Titanium – seltene Metalle, die sehr teuer und aufwendig in der Förderung sind“, erklärt der Enapter-CEO. Das AEM-Verfahren hat der Unternehmensgründer einst in seinen eigenen vier Wänden in Thailand getestet. „Vom italienischen Hersteller Acta hatte ich Prototypen der AEM-Elektrolyseure für mein Haus in Thailand bezogen – es war weltweit das erste autarke Mehrfamilienhaus, das über ein auf Wasserstoff basierendes Energiesystem verfügt. Von da an war ich von der Geschäftsidee überzeugt“, blickt Schmidt zurück. 2017 übernahm er Acta und benannte das Unternehmen in Enapter um. Die vorhandene Technologie hat sein Team seither stetig weiterentwickelt. Nun entsteht mit dem Campus in Saerbeck für rund 100 Millionen Euro eine erste Produktionsstätte von Enapter in Deutschland. 300 Menschen sollen dort bald ihre Arbeit aufnehmen. Der Standort bündelt auf 82.000 Quadratmetern die Elektrolyseur-Produktion sowie die Forschung und Entwicklung.  Auch eine Kantine, Verwaltungs-, Besprechungs- und Büroräume finden dort Platz. Der Campus wird als „Life Cycle Impact Zero“-Projekt geplant. „Vereinfacht gesagt, schauen wir uns sämtliche Prozesse an, angefangen bei der Fertigung bis hin zum Speiseplan in der Kantine, um alles möglichst umweltschonend und nachhaltig zu gestalten“, erklärt Schmidt. Der Campus wird vollständig mit erneuerbarer Energie betrieben. Rund 60 Prozent der elektrischen Energie, die Enapter für die Produktion der Elektrolyseure benötigt, erzeugen PV-Anlagen auf den Dächern der Campus-Gebäude. Sie liefern etwa 2.100 Megawattstunden Strom im Jahr, was dem Bedarf von fast 700 Drei-Personen-Haushalten entspricht. Die restliche Energie bezieht Enapter aus dem Bioenergiepark in Saerbeck – darunter auch die bislang ungenutzte Abwärme aus der Biogasanlage des Parks. Dafür wurde eine eigene, circa 2,5 Kilometer lange Pipeline verlegt, um unabhängig vom öffentlichen Stromnetz zu sein. Auch die im Werk Saerbeck hergestellten Elektrolyseure erzeugen Wasserstoff, wie der CEO erklärt: „In der Endabnahme produzieren sie grünen Wasserstoff, den wir dann wieder für den Campus – beispielsweise im Blockheizkraftwerk zur Stromerzeugung – nutzen können.“

Über 10.000 Geräte sollen in der letzten Ausbaustufe pro Monat in Saerbeck vom Band laufen können, der zentrale Campus-Bau steht aktuell kurz vor dem Abschluss und soll noch 2022 fertig werden. „Die Nachfrage ist massiv gestiegen. Dieses Interesse müssen wir nun zu wettbewerbsfähigen Preisen bedienen. Unser Ziel ist es, dass mit unserer Technologie Wasserstoff günstiger erzeugt werden kann als fossile Brennstoffe. Ich denke, dass wir in zwei bis drei Jahren dieses Preisniveau erreichen“, ist Schmidt überzeugt.
Der Unternehmer richtet sich dabei aber auch an die Politik: „Öffentlich über erneuerbare Energie zu diskutieren und den Ausbau der regenerativen Energie zu fordern, ist gut und richtig. Aber es gibt leider immer noch deutliche Unterschiede zwischen dem gesprochenen Wort und den tatsächlichen Handlungen.“ In den USA habe Wasserstoff zum Beispiel schon einen ganz anderen Stellenwert innerhalb kurzer Zeit bekommen. „Dort wird dieser Energieträger finanziell mehr gefördert als in Deutschland, sodass es dort schon bessere Produktionsbedingungen und mehr Einsatzmöglichkeiten gibt“, weiß Schmidt. Er appelliert: „Wir müssen insgesamt technologieoffener werden, um die Energiewende zu schaffen.“ 

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