Monika Bone | Den „Pappa ante portas“ will keiner spielen

Die Nachfolge innerhalb der Familie zu regeln, ist die Mission schlechthin eines Familienunternehmens. Gleichzeitig bringt die Übergabe eine besonders emotionale Seite mit sich. Es geht um mehr als nur einen Wechsel im Organigramm. Gefühle, Erwartungen und oft auch unausgesprochene Konflikte im Familienkonstrukt spielen dabei eine große Rolle. Monika Bone aus Velen begleitet als Coach, Trainerin und Prozessbegleiterin seit vielen Jahren genau solche Übergaben in Familienunternehmen. Im Interview mit Wirtschaft aktuell spricht sie über Stolperfallen, sensible Themen und warum das Highlander-Prinzip in Familienunternehmen nicht gilt.

Monika Bone, Coach, Trainerin und Prozessbegleiterin. Foto: Joop van Reeken

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Frau Bone, warum ist die Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie oft so emotional? 
Familienmitglieder sind nun einmal in besonderer Weise miteinander verbunden. Die „Liebe zur Familie“ ist ein Hauptmotiv für Entscheidungen in Familien. Auch der Wert „Gerechtigkeit“ spielt eine große Rolle. Wer sich als Kind schon einmal benachteiligt gefühlt hat, weil der Bruder oder die Schwester eine größere Portion Pudding bekommen hat oder das teurere Hobby ausüben durfte, weiß, wovon ich rede. Eltern wollen ihre Kinder gerecht behandeln. Im Unternehmenskontext müssen aber ganz rational Kompetenz und Engagement Vorrang bei der Wahl eines passenden Nachfolgers haben – und da wird es Unterschiede zwischen den Kindern geben, die sich auf die Entscheidung auswirken. Elternlogik und Unternehmenslogik passen da nicht immer zusammen. 

Was sind die häufigsten Fallstricke bei der familieninternen Nachfolge? 
Der häufigste Fallstrick ist, dass alle Beteiligten optimistisch denken: Das regelt sich schon mit der Zeit. Viel Luft, sich vernünftig und in Ruhe Gedanken über die Nachfolge zu machen, gönnen sich Unternehmerinnen und Unternehmer im Alltag ohnehin nicht. Und so wird das Thema einfach immer wieder beiseite gekehrt. Es fehlt dann an klarer Kommunikation, wie der Senior oder die Seniorin sich den Rückzug aus dem Unternehmen vorstellt, welche Kompetenzen dem Nachfolger oder der Nachfolgerin noch fehlen und wie diese schrittweise mehr Verantwortung übernehmen können. Es geht darum, die Erwartungshaltung beider Seiten offen darzulegen. Bevor eine Roadmap mit den nächsten Schritten erstellt wird, muss erst einmal das Ziel feststehen – und zwar das gemeinsame Ziel, mit dem beide wirklich übereinstimmen.  

Sohn, Tochter und Eltern müssen also neue Rollen für sich definieren.  
Ganz genau. In Familienunternehmen sind das sogar unterschiedliche Rollen, die zeitgleich in einer Person vereint werden. Unternehmer und Nachfolger müssen sich mit drei Perspektiven auseinandersetzen: der eigenen, der für die Familie und der Rolle fürs Unternehmen. Partner, Geschwister oder andere Familienmitglieder, die ebenfalls im Unternehmen arbeiten, haben jeweils eine individuelle Schnittmenge mit diesen Rollen. Die drei zentralen Fragen, die sich abgebende Unternehmer dann stellen müssen, sind: Ist die Nachfolgeentscheidung für die Familie gerecht – also wie finde ich die anderen Kinder ab? Ist die Nachfolge mit Blick auf das Familieneigentum wertsteigernd fürs Unternehmen? Und: Ist sie für das Unternehmen zukunftsfähig, sodass sich der Betrieb durch den Nachfolger auch weiterentwickeln kann? Emotionale Familienlogik und professionelles Unternehmertum sind gleichzeitig gefragt. Diese paradoxe Situation lässt sich ohne eine professionelle, neutrale Begleitung von außen nicht so leicht regeln. Denn wer kann schon ganz nüchtern die Kompetenzen seines eigenen Kindes bewerten? 

Wie kann man dann die Entscheidung für den „richtigen“ Nachfolger in der Familie treffen? 
Neben der fachlichen Kompetenz spielt vor allem die Persönlichkeit eine große Rolle. Antrieb und Lust auf den Job sind entscheidend. Es wäre natürlich absurd, ein Assessment-Center innerhalb der eigenen Familie zu durchlaufen und dabei Know-how und Einstellung zu testen. Aber es macht schon Sinn, zu prüfen, welche Stärken der potenzielle Nachfolger mitbringt, wie seine Schwächen durch andere Mitarbeiter in Führungspositionen ausgeglichen werden können und was der Kandidat selbst noch bis zur Übernahme lernen kann. Übrigens muss die Lösung gar nicht eine Person allein sein: Das Highlander-Prinzip, nach dem es nur einen passenden Kandidaten gibt, gilt auch in Familienunternehmen nicht. Die sinnvolle Nachfolge kann auch aus zwei Familienmitgliedern, typischerweise Geschwister, oder einem Familienmitglied und einer weiteren Person, die nicht zur Familie gehört, bestehen. Indem sich beide dann in ihren Stärken und Schwächen ergänzen, ergibt sich so eine gute Nachfolgelösung. 

Dazu muss sich aber jeder ehrlich eingestehen, was er oder sie kann – und was nicht. 
Unbedingt! Selbstreflektion ist der Anfang und die beste Vorbereitung auf die Nachfolgeregelung. Wer bin ich? Was will ich? Was kann ich? Was erlaube ich mir zu wollen? Was sagen meine Kritiker? Eine Auszeit oder ein Urlaub sind wunderbare Möglichkeiten, mit sich selbst darüber ins Gespräch zu kommen. 

Was hilft dem Nachfolger, sich in seiner neuen Rolle zu finden? 
Indem er sich bewusst den „Nachfolge-Hut“ aufsetzt und sich vergegenwärtigt, dass er nun die Rolle des Entscheiders trägt. Hier kann es hilfreich sein, mit einem Coach zu arbeiten. Denn es verlangt schon eine Portion Mut, das Unternehmen auf eigene Weise zu führen und eigene Entscheidungen zu treffen. Diesen inneren Druck muss man aushalten, vor allem, wenn die Eltern vielleicht ganz anders entschieden hätten. Das heißt aber nicht, dass man als Nachfolger keinen Fehler machen darf – im Gegenteil! Auch der Senior hat in seiner Karriere nicht sofort alles richtig gemacht. Eine Lernkurve gehört zur Unternehmensnachfolge dazu. 

Das ist die Seite des Nachfolgers. Was ist mit dem Senior? 
Auch da braucht es einen bewussten Rollenwechsel. Unternehmerinnen und Unternehmer bringen häufig – ohne es zu merken – ihr Familiensystem in das Unternehmen ein. In der Generation der Babyboomer gehörte ein patri­archalischer Führungsstil dazu. Und wer seine Mitarbeitenden wie seine Kinder sieht, läuft Gefahr, auch die erwachsenen Kinder bei der Nachfolge zu bemuttern und zu bevatern. Dabei ist jetzt die nachfolgende Generation an der Reihe, Personal- und Unternehmensentscheidungen selbst zu treffen und vielleicht einen anderen Führungsstil zu leben, der dann die Mitarbeitenden herausfordern kann. Die Gestaltungsspielräume der Senioren sind nun andere, zum Beispiel beratende. Das muss man sich immer wieder bewusst machen. Und das ist durchaus nicht leicht, schließlich hat der Senior in den vergangenen Jahrzehnten Automatismen und Problemlösungskompetenzen entwickelt, die der Nachfolger natürlich noch nicht hat. Die Elterngeneration muss jetzt lernen, zu warten, bis sie nach Unterstützung gefragt wird. Wer sich immer noch heimlich selbst den Feuerwehrhelm aufsetzt und ungefragt hilft, Brände zu löschen, konterkariert einen guten Übergang. Den „Pappa ante portas“ von Loriot will schließlich keiner spielen.  

Familiäre Spannungen lassen sich aber trotzdem nicht immer vermeiden? 
Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Spannungen zwischen Nachfolger und Übergeber kommt, ist in Familienunternehmen aufgrund der persönlichen Verflechtung tatsächlich höher als in nicht-familiären Betrieben. Die entscheidende Frage ist, wie man schon frühzeitig Konfliktpotenzial erkennt und löst, zum Beispiel mithilfe eines neutralen Mediators, dem beide Seiten vertrauen. Es zeugt auch von großer Wertschätzung füreinander, wenn sich beide Generationen an einen Tisch setzen und offen ansprechen, wenn etwas im Argen liegt. 

Wie tief muss man denn gehen? 
So tief wie notwendig, um den Konflikt zu finden. Der Austausch über die Kompetenzbiografien in Familien ist ein wichtiges Erkundungsfeld. Und manche Spannungen sind schon in der Kindheit, in der Pubertät entstanden. Manchmal verfestigen sich Erwartungshaltungen – etwa an sehr gute Schulnoten als Ausdruck von Leistungsfähigkeit –, die bis ins Erwachsenenleben anhalten und dann in der Nachfolgeregelung zum Problem werden. Eltern müssen akzeptieren, dass sie und die nachfolgende Generation nun auf Augenhöhe agieren – nicht mehr in der Eltern-Kind-Konstellation und ohne Schulnoten als Maßstab für Leistung. Ich bin der festen Überzeugung, dass Kinder zukunftsschlauer sein können als ihre Eltern und dass es gelingen kann, das Erreichte der Vorgänger zu würdigen und gleichzeitig neue Haltungen und Einsichten in das Familienunternehmen zu bringen. 

Das Interview führte Anja Wittenberg

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