Frau Laudage, was wollen Ihre Kunden vor allem, wenn Sie Kontakt zu Ihnen aufnehmen?
In erster Linie geht es den Unternehmen um die Attraktivität als Arbeitgeber. Viele Unternehmen sind grundsätzlich schon vorbereitet und möchten ihre aktuelle Arbeitgeberattraktivität auf den Prüfstand stellen und zeitgemäß weiterentwickeln.
Andere merken, dass sie zwar viele Einzelangebote haben, ihnen aber ein stimmiges gut kommunizierbares Gesamtkonzept fehlt, das die Besonderheiten der Branche, die Unternehmens- und Führungskultur sowie die spezifischen Arbeitgeberleistungen integriert.
Hinter diesen scheinbar einfachen Themen steckt aber viel Detailarbeit?
Tatsächlich sind viele Unternehmen überrascht, wie vielfältig das Thema am Ende ist und wie viel Potenzial für eine gute Unternehmensdarstellung nach innen und außen in einer strukturierten Bearbeitung liegt.
Wie geht man das Thema an?
Man kann das Thema strukturiert innerhalb von definierten Leitplanken eines Zertifizierungsprozesses bearbeiten, beispielsweise im Rahmen des Qualitätssiegels „Attraktiver Arbeitgeber“ oder dem „Prozess zukunftsfest“. In solchen Prozessen gibt es klare Handlungsfelder und Analysen. In der Beratung kann ich aber auch abseits solcher strukturierten Prozesse unterstützen.
Bevor wir hier ins Detail gehen: Wie kommen die Kunden überhaupt zu Ihnen?
Am häufigsten über Empfehlungen, aber auch über meine Netzwerke, Webseiten von Projektträgern aus dem wirtschaftsnahen Umfeld oder über Zertifizierungen.
Wie läuft Ihre Arbeit üblicherweise ab?
Beim Thema Arbeitgeberattraktivität nehme ich mir gemeinsam mit meinen Kunden Zeit, um zu verstehen, worum es im jeweiligen Unternehmen geht. In welcher Branche ist das Unternehmen aktiv? Wie sind die betrieblichen Rahmenbedingungen und wie sind die Arbeitsplatzanforderungen der verschiedenen Arbeitsbereiche, damit der Geschäftsbetrieb reibungslos funktioniert? Gibt es Schichtbetrieb? Welche Servicezeiten oder Präsenzanforderungen müssen erfüllt werden? Wie flexibel können Arbeitszeit und -ort gestaltet werden? Im nächsten Schritt führe ich eine umfassende Bestandsaufnahme durch. Wir beleuchten verschiedene Themenfelder, die zur Arbeitgeberattraktivität beitragen. Dabei ist besonders wichtig, die Bedürfnisse und Anforderungen unterschiedlicher Beschäftigtengruppen zu berücksichtigen. Junge Mitarbeitende haben oft andere Erwartungen als berufstätige Eltern oder ältere Mitarbeitende. Hier sprechen wir von Lebensphasenorientierung – also dem gezielten Blick darauf, was für Beschäftigte in unterschiedlichen Lebensphasen wichtig ist und welche Unterstützungsstrukturen sinnvoll sind.
Und wie klappt das bei den Unternehmen Ihrer Erfahrung nach?
Der gut geführte Mittelstand macht laut meinen Erfahrungen bereits vieles richtig, aber er redet häufig nicht darüber. Da erlebe ich oft eine gewisse Bescheidenheit, gerade hier in der Region. Nach außen zeigt man durchaus, was man tut, aber intern wird das oft zu wenig kommuniziert.
Warum ist das überhaupt so wichtig? Am Ende spricht doch das Handeln für sich, oder?
So einfach ist das nicht. Die Mitarbeitenden müssen wissen, woran sie sind. Ein Beispiel: Wenn in der Familie eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin ein Kind erwartet wird, dann kann der Arbeitgeber frühzeitig signalisieren, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützt wird. Das entlastet werdende Eltern ungemein und gibt ihnen das Gefühl, dass man sie nicht hängen lässt oder bei der weiteren beruflichen Karriere „vergisst“. Das gilt übrigens auch für Väter, die sich noch immer schwer damit tun, Arbeitszeiten familiengerecht zu gestalten oder längere Elternzeiten in Anspruch zu nehmen. In der Realität ist es oft so, dass Mitarbeitende viele Themen zunächst mit sich selbst ausmachen und dann eher mit einem schlechten Gewissen zur Arbeit gehen. Das ist ganz anders und leichter, wenn der Arbeitgeber aktiv frühzeitig das Gespräch sucht.
Gegen diese „Sprachlosigkeit“ arbeiten Sie also? Offensive Kommunikation versus „Sprachlosigkeit“?
Richtig. Obstkörbe, Wasserspender und flexible Arbeitszeiten bieten heute fast alle Unternehmen an. Um sich als attraktive Arbeitgeber zu präsentieren, braucht es einerseits sichtbare Angebote und eine klare Vorstellung davon, was die Arbeitgeberattraktivität des eigenen Unternehmens im Vergleich zu anderen Unternehmen konkret ausmacht. Andererseits ist es wichtig, nicht nur die Arbeitgeberleistungen, sondern auch besondere Aspekte der Unternehmens- und Führungskultur herauszustellen und in der Unternehmenskommunikation zu verankern. Wenn es gelingt, eine Klarheit in der Kommunikation zu finden, dann wissen die Beschäftigten, woran sie sind und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden steigt.
Wieso ist das Thema auch für junge Mitarbeitende wichtig?
Für junge Mitarbeitende gehört Familienfreundlichkeit zur Arbeitgeberattraktivität, obwohl sie noch nicht mit dem Thema Kinder- oder Elder-care konfrontiert sind. Diese Haltung spiegelt sich zum Beispiel in aktuellen Umfragen wider. In einer Prognos-Studie sagen selbst 78 Prozent der Beschäftigten ohne Kinder oder Pflegeaufträge, dass sich Arbeitgeber mit solchen Themen beschäftigen sollten. Das ist auch Teil einer neuen Arbeitskultur, wenn Sie so wollen. Die hat der Gesetzgeber mit seinen Regelungen unter anderem zur Elternzeit oder Teilzeit längst aufgegriffen.
Weil Sie die veränderte Arbeitskultur angesprochen haben: Das Schlagwort Work-Life-Balance wird heute manchmal etwas herablassend behandelt. Der sogenannten Generation Z wird vorgeworfen, keine Arbeitsmoral mehr zu besitzen.
Das muss man differenzierter betrachten. Wir leben heute in einer Dialogkultur, in der Arbeitgeber und Beschäftigte miteinander aushandeln, wie die Arbeitswelt so gestaltet werden kann, dass Menschen ihre individuellen Lebensentwürfe realisieren können. Es geht um die Frage, welchen Qualitätsanspruch jemand an sein Leben hat und wie sich die Arbeit darin einfügt. Die jüngere Generation will flexibel und selbstbestimmt arbeiten und gleichzeitig auch Lebensqualität sichern. Das ist angesichts längerer Lebensarbeitszeiten nicht nur legitim, sondern trägt auch zu einer langfristigen Absicherung der Arbeitsfähigkeit bei.
Ist das schwierig, ein Bewusstsein für diese Themen in den Unternehmen zu verankern?
Eigentlich nicht. Wie bereits gesagt: Viele Unternehmen tun schon viel und engagieren sich in hohem Maße, ihre Arbeitgebermarke zu gestalten und entwickeln im Dialog mit ihren Beschäftigten individuelle Lösungen, um Beruf, individuelle Karrierewege und Privatleben in verschiedenen Lebensphasen aktiv zu unterstützen. Wenn sie ein Interesse an den Mitarbeitenden haben, finden sich immer Wege.
Was bedeutet das für Führungskräfte?
Führungskräfte stehen in der Verantwortung, alle Bausteine der Arbeitgebermarke im Führungsalltag wahrnehmbar zu leben. Sie müssen gut hinhören und hinschauen, in welcher Lebensphase sich eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter befindet und situationsangepasst auf die Beschäftigten zugehen sowie Themen offensiv ansprechen. Vergessen Sie mal diese Sprüche von „Meine Tür steht offen“ oder „Nur wer fragt, dem kann geholfen werden“. Das sind gläserne Wände! Als Arbeitgeber darf ich nicht nur „komm!“ sagen, ich muss selbst einen Schritt machen. Übrigens betrifft das Thema Vereinbarkeit von Beruf, Karriere und Privatleben als Baustein einer starken Arbeitgebermarke auch die Führungskräfte selbst. Ich kenne einen Fall, in dem eine Führungskraft wegen so einer gläsernen Wand im Kopf lieber kündigte, statt ein Gespräch zu suchen.
Sie haben das Thema Dialog nun oft erwähnt.
Weil es wichtig ist. Der Dialog ist das Herzstück. Und genau da hakt es am meisten. Wir müssen ins Gespräch kommen, entweder beim Jahresgespräch, in einem Workshop oder beim gemeinsamen Frühstück. Und dann muss es um gemeinsame Lösungen gehen. Wenn jemand nur fordert, geht es nicht. Wenn man keine Kompromisse findet, geht es auch nicht.
Das geht in großen Unternehmen sicher einfacher als in kleinen Betrieben?
Nicht unbedingt. Das ist eine Haltungsfrage. Ich habe auch Unternehmen mit fünf Angestellten beraten. Am Ende geht es auch für kleine Unternehmen darum, Lösungen zu finden. Und oft sind Arbeitgeber überrascht, dass ihre Mitarbeitenden dabei durchaus auch die Blickwinkel der Kunden und damit das Interesse des Betriebs beachten. Über diese unterschiedlichen Perspektiven kommt man zu Lösungen.
Werfen Sie zum Schluss doch noch einen Blick voraus: Mit welchen Trends oder Herausforderungen sehen sich Unternehmen und Mitarbeitende in den kommenden Jahren konfrontiert?
Ich glaube, ein zentraler Trend, der uns erhalten bleibt, ist die gewonnene Flexibilität in der Arbeitswelt – sowohl was die Gestaltung von Arbeitszeit und -ort angeht, als auch die grundsätzliche Frage, wie wir arbeiten wollen. Damit einher geht ein permanentes ausbalancieren von Kundenanforderungen, Bedürfnissen von Mitarbeitenden und Unternehmenszielen. Eine weitere Herausforderung wird sein, den Zusammenhalt von Teams in zunehmend dezentralen und hybriden Arbeitsstrukturen sicherzustellen. Wir stecken in einem dauerhaften Veränderungsprozess, der Flexibilität und Offenheit erfordert. Die Haltung „Das geht nicht“ hat ausgedient. Die zentralen Fragen in der aktuellen Arbeitswelt lauten: „Wie kann es gelingen“ und „Wie wollen wir unsere Arbeitswelt zukunftsfest gestalten?“. Unternehmen müssen sich mit einer klaren Arbeitgebermarke und unterscheidbaren Botschaften nach außen und innen positionieren, um neue Mitarbeitende zu gewinnen und motivierte Beschäftigte zu binden.
Das Interview führte Carsten Schulte