Der Blick in die Statistik zeigt: Im Kreis Steinfurt gab es zum Stichtag 31. Dezember 2024 rund 5.420 Handwerksbetriebe, die etwa 41.300 Mitarbeitende beschäftigt haben, darunter rund 2.600 Auszubildende. Im Kreis Warendorf waren es rund 3.500 Betriebe mit etwa 22.200 Mitarbeitenden und circa 1.400 Azubis. Allerdings: In beiden Kreisen werden etwas mehr als die Hälfte der Betriebe von Inhabern geführt, die älter als 55 Jahre sind. „Das Thema Nachfolge steht also bei vielen Unternehmen zeitnah auf der Agenda“, betonte Tischner.
Ergebnisse der Mitgliederbefragung
Die KH stellte auf der Jahrespressekonferenz auch die Ergebnisse ihrer aktuellen Mitgliederumfrage vor. Jan-Philipp Schiffer, KH-Geschäftsführer für den Bereich Finanzen und zentrale Dienste, beschrieb ein gemischtes Bild: „Mehr Unternehmer als vor einem halben Jahr bewerten die Geschäftslage schlechter.“ In Zahlen: 47 Prozent der Befragten gaben an, dass die Geschäftslage gleichbleibend sei. 44 Prozent bewerteten sie als „schlecht“ oder „deutlich schlechter“. „Vor allem das Bauhauptgewerbe spürt aktuell Probleme“, wie Schiffer erläuterte. Es hänge aber sehr stark davon ab, in welchem Bereich die Handwerksbetriebe tätig sind. Ein geteiltes Bild gab es auch beim Ausblick: Etwa ein Drittel beurteilte die Perspektive jeweils als „gleichbleibend“, „positiv“ oder „sehr positiv“ sowie „negativ“ oder „sehr negativ“. Die Mehrheit der Handwerksbetriebe will ihren Personalbestand halten (63 Prozent). 21 Prozent rechnen mit einem Personalabbau durch Fluktuation, Renteneintritt oder Kündigung. 16 Prozent gehen von einem Personalwachstum aus.
Bürokratische Anforderungen als größtes Problem
In der Umfrage hat die KH auch die größten Hemmnisse für das Handwerk in der Region ermittelt: Demnach bereiten für 45 Prozent der Befragten die bürokratischen Anforderungen die größten Probleme, gefolgt vom Fachkräftebedarf (24 Prozent) und dem Auftragsmangel (21 Prozent). „In unseren Kampagnen machen wir daher auch immer wieder auf die wachsende Bürokratie aufmerksam“, betonte Schiffer. Ein Problem, für das KH-Hauptgeschäftsführer Tischner auf der Pressekonferenz einmal mehr deutliche Worte fand: „Es muss endlich im Bewusstsein der Politik ankommen, dass diese überbordende Bürokratie die Betriebe wahnsinnig macht und dass sich dringend etwas ändern muss. Es kann nicht zielführend sein, wenn sich ein Handwerker zu 80 Prozent seiner Arbeitszeit damit beschäftigen muss, Listen für irgendwelche Regularien auszufüllen.“
Um der Herausforderung „Fachkräftemangel“ zu begegnen, hat die KH Steinfurt Warendorf im vergangenen Jahr wieder einige Projekte angeschoben und umgesetzt. „Unter dem Slogan ‚Komm ins Handwerk – do it!‘ haben wir für eine berufliche Perspektive im Handwerk geworben. Dafür haben wir eine Ausbildungsplatz- und Praktikumsbörse unter ausbildung-handwerk.net eingerichtet. Dort können Handwerksbetriebe aus den Kreisen Steinfurt und Warendorf ihre freien Stellen auflisten. Das ist sehr gut angelaufen“, berichtete Günter Schrade, Geschäftsführer Bildung bei der KH. Die Azubi-Zahlen seien im Bezirk der KH zwar konstant – 2024 wurden sogar rund fünf Prozent mehr neue Verträge abgeschlossen –, aber: „Im Langzeitvergleich sind es in den vergangenen 15 Jahren 15 bis 20 Prozent weniger Ausbildungsverhältnisse. Und die Betrieben haben mehr Bedarf“, betonte Schrade.
Verändertes Berufswahlverhalten
Als Grund für den Rückgang bei den Bewerbern nannte er neben den geburtenschwachen Jahrgängen auch ein verändertes Berufswahlverhalten. Das bestätigte auch KH-Geschäftsführer Tischner: „Das Handwerk hat leider immer noch ein Imageproblem. Nach wie vor fehlt vor allem an Gymnasien die Offenheit dafür, nach dem Abitur eine Ausbildung im Handwerk zu absolvieren. Hier sind aus meiner Sicht vor allem die Lehrkräfte gefragt, die entsprechende Infos vermitteln müssten. Die meisten Abiturienten gehen nach ihrem Schulabschluss direkt studieren – dabei gäbe es für sie auch aussichtsreiche, gut bezahlte Karrierewege im Handwerk.“ Vor diesem Hintergrund seien Praktika das A und O, um junge Menschen vom Handwerk zu begeistern. „Das Handwerk ist kein Plan B-Beruf, sondern bietet echte Berufschancen in einem innovativen Umfeld. Ein Handwerker wird nicht eines Tages durch KI ersetzt werden können, sondern KI wird ein Werkzeug für unsere Branche sein. Das muss in den Köpfen der jungen Menschen ankommen“, betonte er.
Mehrere Projekte für die Nachwuchskräftesicherung
Neben Schulbesuchen machte das KH-Team im vergangenen Jahr zum Beispiel mit der YouthCraftFactory, bei der Azubis aus dem Handwerk Kontakte zu Schülerinnen und Schülern knüpfen, sowie online auf Instagram auf Ausbildungsmöglichkeiten im Handwerk aufmerksam. Außerdem ist die KH Partner des regionalen Projekts „Inklusion Münsterland“, mit dem Menschen mit Handicap auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden sollen.
Auch im Ausland hat sich die KH in Zusammenarbeit mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks und dem Bundesentwicklungsministerium für eine Ausbildung in den Betrieben in den Kreisen Warendorf und Steinfurt stark gemacht. „Wir haben aktuell zwei Jordanier erfolgreich an heimische Handwerksunternehmen vermittelt. In Amman werde ich außerdem in den kommenden Monaten wieder 60 Bewerbungsgespräche mit weiteren Kandidaten führen“, blickte Tischner voraus. Auch in Südafrika und Mosambik laufen solche Projekte bis Ende 2025.
Darüber hinaus will sich die KH über den Landesverband der Kreishandwerkerschaften in NRW für ein freiwilliges Handwerksjahr stark machen, um noch mehr heimische Jugendliche vom Handwerk zu überzeugen. „Wir wollen dieses Programm nach dem Vorbild aus Schleswig-Holstein auch in NRW einführen“, erklärte Tischner, der für die kommenden Wochen weitere Infos dazu ankündigte.